
125 Millionen Partikelfilter mit Bieler Know-how
Dr. Jan Czerwinski, ehemaliger Professor für Thermodynamik an der Berner Fachhochschule, hat zusammen mit seinem Team Messmethoden und Normen für Abgase von Verbrennungsmotoren und die Technologie für deren Reduktion mitentwickelt. Diese sind heute weltweit Standard. So werden 99,9 Prozent der Nanopartikel mit dem Partikelfilter zurückgehalten.
Gemäss Angaben der Europäischen Umweltagentur verursachen Luftschadstoffe aktuell jährlich ca. 5500 vorzeitige Todesfälle in der Schweiz. Die Hauptverursacher (80 Prozent) davon sind die Nanopartikel wie Russ- und Metallpartikel im Abgas von Verbrennungsmotoren. Sie durchdringen die Lungenmembran und treten in den Blutkreislauf und damit in die Organe und Zellen ein. Bei den übrigen 20 Prozent der Todesfälle stehen Lungenkrebs und andere Lungenerkrankungen im Vordergrund, die ursächlich auch auf die Wirkung der Feinstpartikel zurückzuführen sind.
Fortschritte dank NEAT-Tunnelbau
Beim Bau des NEAT-Basistunnels musste der geltende Grenzwert der Suva für die maximal zulässige Konzentration von 100 μg/m3 für krebserzeugenden Dieselruss in der Atemluft unbedingt eingehalten werden. In der Folge gab die Suva 1993 einem Projektteam den Auftrag, die effizientesten Abgasminderungssysteme für die Dieselmotoren der eingesetzten Baumaschinen zu evaluieren und ihre Eignung im Tunnelbau zu testen. In der Testphase von 1994–1998 erwies sich einzig der Partikelfilter für Dieselmotoren als geeignet, um die Emission von krebserzeugenden Partikeln bei alten und bei neuen Motoren um einen Faktor von 100 bis 1000 zu reduzieren. Dies ergaben auch die Messungen von Dr. Jan Czerwinski vom Labor für Verbrennungsmotoren und Abgastechnik an der damaligen Ingenieurschule Biel (heute Departement Technik und Informatik der Berner Fachhochschule). So konnte mit dem Bau des NEAT-Basistunnels am Gotthard 1999 begonnen werden.
Die Suva hat aufgrund dieser Resultate im Jahr 2000 ein Obligatorium für Partikelfilter im Tunnelbau eingeführt.
Kampf gegen gesundheitsgefährdende Abgase
Das damalige Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) hatte mit dem Erlass der Luftreinhalte-Verordnung LRV 1985 den Kampf gegen die Emissionen von Luftschadstoffen aus Industrie und Gewerbe, aber auch aus dem Strassenverkehr aufgenommen. Kurz darauf hat die Schweiz als einer der ersten Staaten in Europa den Drei-Wege-Katalysator für Neuwagen und das Bleifrei-Benzin gesetzlich verankert.
Etwa zehn Jahre später zeigte sich, dass die Abgase aus Maschinen mit Verbrennungsmotoren auch abseits der Strassen («offroad») in der Schweiz beträchtliche Dimensionen angenommen hatten. Deshalb wurden 1998 erstmals auch Bestimmungen zur Emissionsminderung bei Baumaschinen und Arbeitsgeräten mit Benzinmotoren (wie Motorsägen oder Rasenmähern) in die LRV aufgenommen. Ebenso ist Dieselruss 1998 als krebserzeugender Luftschadstoff in die LRV aufgenommen worden.
Die für den Offroadbereich verantwortlichen Mitarbeitenden des BUWAL stiessen mitten in der Erprobungsphase der Partikelfilter zum Team des Projekts für die NEAT-Baumaschinen, des sogenannten VERT-Projekts (VERT: «Verminderung der Emissionen von Realmaschinen im Tunnelbau»). Rasch wurde klar, dass der Partikelfilter – als effizienteste Lösung für den Tunnelbau – auch für Baumaschinen auf Baustellen im Freien die effektivste Methode zur Abgasminderung ist, und zwar für neue wie für bereits in Betrieb befindliche Baumaschinen.
Um die Einführung der Abgasminderung im Offroadbereich in der Schweiz zu realisieren, war es unabdingbar, dass ein Abgasmesslabor im Auftrag des BUWAL umfangreiche Tests und Messungen an Diesel- und Benzinmotoren zur Bestimmung der Effizienz der Abgasnachbehandlung durchführte. Die Methoden dazu mussten teilweise erst entwickelt werden. Mit Dr. Jan Czerwinski von der Automobilabteilung und vom Abgaslabor der damaligen Ingenieurschule Biel hatte das VERT-Team einen kompetenten und zielstrebigen Mitstreiter auf seiner Seite. Angesichts der grossen Herausforderungen war die aktive und engagierte Mitwirkung des unabhängigen und erfahrenen Labors für Verbrennungsmotoren und Abgastechnik – der «Abgasprüfstelle Biel/Nidau» – ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Von der Partikelmasse zur Partikelzahl
Die frühere Methode der Messung der Partikelmasse (PM) genügte zur genauen Bestimmung des Partikelanteils in den Abgasen nicht mehr. Mit dem Übergang zur Messung der Partikelzahl (PN) ergab sich eine 1000-mal höhere Empfindlichkeit bei der Bestimmung der Partikel im Abgas. Erst so konnte der grosse Nutzen der Partikelfilter bewiesen werden – insbesondere auch in Bezug auf die Nanopartikel, die ins Blut gelangen können. Messlabors, die Aufträge von BUWAL oder Suva übernehmen wollten, mussten sich daher mit neuen Messsystemen ausrüsten und auch Messverfahren mitgestalten.
Abscheidegrad von 99,9 Prozent – keine Sekundäremissionen
Bald nahm das Abgaslabor in Biel unter der Leitung von Dr. Jan Czerwinski eine zentrale Rolle bei der Einführung des Partikelfilters in der Schweiz ein. Zuerst ging es darum, eine Eignungs- und Zulassungsprüfung für neue Partikelfiltersysteme zu entwickeln. Grund dafür war, dass nur Partikelfiltersysteme zur Anwendung gelangen sollten, die den Standard der «Best Available Technologie (BAT)» erfüllen. Dieser entsprach einer Abscheidung von mindestens 98 Prozent. Heute, 20 Jahre später, ist der Standard für die Abscheiderate beim Faktor 1000. Damit beträgt der Abscheide- oder Wirkungsgrad 99,9 Prozent. Neue Partikelfiltersysteme müssen zudem einen Langzeittest durchlaufen. Die Partikelabscheidung darf mit der Alterung nicht merklich abnehmen.
Schliesslich waren die Systeme auch auf möglicherweise neu gebildete «Sekundäremissionen» zu untersuchen. Im Partikelfilter als einem chemischen Reaktor je nach verwendeten katalytischen Substanzen mit der Bildung neuer chemischer Verbindungen – im Extremfall sogar von Dioxin – gerechnet werden. Dies musste mit 100-prozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden können. Mit der Prüfung auf solche Sekundäremissionen hat sich Jan Czerwinski zusammen mit dem Team der Abteilung Advanced Analytical Technologies der EMPA Dübendorf weltweit einen Namen gemacht. Bis heute haben mehr als 70 neue Partikelfiltersysteme diese umfangreiche Eignungsprüfung erfolgreich durchlaufen. Entstanden sind daraus weit über 200 wissenschaftliche Arbeiten – gemeinsam mit dem Ingenieurbüro TTM, den Universitäten Bern und Fribourg, der EMPA und der ETH.
Text: Max Wyser – Der Autor war beim BUWAL zuständig für die Einführung des Partikelfilters bei Baumaschinen in der Schweiz.
Kontakt: Dr. Jan Czerwinski
- jan.czerwinski@bfh.ch
Infos
- Labor für Verbrennungsmotoren und Abgastechnik: bfh.ch/iem/afhb
- Bachelor of Science Automobiltechnik: bfh.ch/automobil