Additives Fertigungsverfahren für innovativen Netzhaut-Laser

Mit dem 3D-Drucker lassen sich hochkomplexe und kompakte Strukturen schnell und günstig herstellen. Das Verfahren bewährte sich auch bei der Entwicklung eines Netzhauttherapie-Geräts am HuCE-optoLab der BFH.

Die altersbedingte Makuladegeneration und die diabetische Retinopathie gehören zu den häufigsten Erkrankungen der Netzhaut (Retina). Sie führen zu einer starken Beeinträchtigung des Sehvermögens bis hin zur Erblindung. Neben Medikamenten verwenden Augenärzte auch Laser, um die fortschreitende Degeneration der Netzhaut zu stoppen. In diesem Bereich bringt die selektive Retinatherapie einen grossen Fortschritt. Dabei wird mithilfe eines Lasers eine bestimmte Schicht der Netzhaut – das retinale Pigmentepithel – gezielt zerstört, um die Blutungen und Gefässneubildungen in der Netzhaut sowie Netzhautablösung zu stoppen. Die Schwierigkeit bei diesem Verfahren besteht darin, die Energie der Laserimpulse genau zu dosieren. Gelingt dies nicht, werden auch Sehzellen zerstört – und zwar irreversibel, während das Pigmentepithel selber sich wieder regeneriert. Die Herausforderung ist gross, denn bei dieser Behandlung spielt sich alles im Mikrometerbereich ab.

Netzhautbehandlung mit Live-Feedback

In einem Zusammenarbeitsprojekt mit industriellen Partnern hat das HuCE-optoLab der Berner Fachhochschule jetzt ein Gerät entwickelt, das Fortschritte im Hinblick auf eine für den Patienten sicherere und schonendere Therapie verspricht. Die Idee dahinter: Im Gerät mit dem Namen Spectralis® Centaurus sind zwei Laser integriert, die simultan eingesetzt werden – der neu integrierte Therapielaser führt die Behandlung aus, der andere erstellt mit OCT-Technologie («optische Kohärenztomografie») permanent Tiefenscans der Netzhaut. Während die Leistung des Behandlungslasers gesteigert wird, überwacht die Software des Systems die OCT-Scans und gibt dem Behandlungslaser innerhalb von Millisekunden ein Feedback. Sobald die notwendige Dosis erreicht ist, wird die Leistungserhöhung gestoppt und die Behandlung an diesem Punkt abgebrochen. Das verhindert eine Überdosierung, die zur Beschädigung der Sehzellen führen würde.

Innovativ ist an diesem Projekt insbesondere der Ansatz, die Laserbehandlung der Netzhaut mit der OCT-Technologie in Echtzeit zu überwachen und zu steuern. Dazu hat der Mitarbeiter und Masterstudent Christian Burri einen Spectralis®-OCT-Diagnosegerät der Firma Heidelberg Engineering und einen Kurzpuls-Behandlungslaser der Thuner Firma Meridian kombiniert. Um die zwei Laserstrahlen übereinanderlegen zu können, mussten die Optiken beider Geräte angepasst werden. Bei der Entwicklung der Steuerungssoftware waren die Informatikkompetenzen der BFH gefragt. Und «last but not least» brachte das Projekt auch eine grosse konstruktive Herausforderung mit sich: Für die beiden Lasergeräte musste eine sehr komplexe, stabile und gleichzeitig kompakte Trägerstruktur gebaut werden.

Kompetente Partner in der Nähe

Die Konstruktion eines solchen Gehäuse-Prototyps mit zahlreichen Hohlräumen und verwinkelten Kanälen wäre mit konventionellen Methoden – zum Beispiel Gusstechnik oder Zusammenfügen von zahlreichen Einzelteilen – sehr aufwendig und somit teuer gewesen. Für solche Fälle können sogenannte additive Fertigungsverfahren (Additive Manufacturing) eine interessante Alternative sein. Bekannter sind sie unter dem Begriff 3D-Druck. Die BFH verfügt mit dem Switzerland Innovation Park Biel/Bienne (SIPBB) über einen Partner mit viel Know-how in dieser Technologie in nächster Nähe. Dessen Forschungsabteilung «Swiss Advanced Manufacturing Center» hat im Bereich der additiven Fertigung in den letzten Jahren grosse Kompetenzen aufgebaut. Von grossem Nutzen waren dabei die Synergien, die seit 2016 mit dem Einzug der Firma ProtoShape in den SIPBB entstanden sind. Sie ist Pionierin im Bereich des metallischen 3D-Drucks.

Für das HuCE-optoLab der BFH hatte ProtoShape bereits vor dem Spectralis-Centaurus-Auftrag zwei kompakte Körper für OCT-Anwendungen hergestellt. Die Fertigung erfolgte auch beim aktuellen Projekt wiederum mit «Selective Laser Melting». Das Verfahren erlaubt den schichtweisen Aufbau von komplexen Geometrien in zwei Schritten: Zuerst wird eine dünne Schicht Metallpulver aufgetragen – in diesem Fall Aluminium. Anschliessend bringt ein Laser das Pulver an den gewünschten Stellen zum Schmelzen. Der Vorgang – Pulver auftragen und schmelzen – wird so oft wiederholt, bis die Höhe des Bauteils erreicht ist. Zuletzt kann der verfestigte Aluminiumkörper dem umliegenden Pulver entnommen werden.

Die Herstellung des Gehäuse-Prototyps im SIPBB dauerte nur einen Tag. Das geometrische Modell des Gehäuses entstand auf dem Computer und wurde ProtoShape in Form einer CAD-Datei übergeben. Nach dem Einrichten der Druckmaschine nahm der eigentliche Druckvorgang rund einen Tag in Anspruch. Das Resultat erfüllte die hohen Ansprüche auf Anhieb.

Win-win-Situation

Inzwischen hat das HuCE-optoLab das Verfahren der OCT-überwachten selektiven Retinatherapie an Augen von Schweinen bereits erfolgreich getestet. Voraussetzung für eine Zulassung des Geräts ist selbstverständlich eine Patientenstudie. In einer umfangreichen Dokumentation muss das HuCE-optoLab jetzt die Normengerechtigkeit seiner Entwicklung nachweisen, bevor die Zulassungs- und Aufsichtsbehörde Swissmedic die Bewilligung dazu erteilt. In Anbetracht der Alterung der Gesellschaft und der damit einhergehenden Zunahme von Augenleiden dürfte ein grosses Interesse für eine patientenschonende Lasertherapie vorhanden sein.

Auch die BFH gewinnt durch solche Zusammenarbeitsprojekte, indem sie ihr Know-how in realen industriellen Anwendungen verfeinern kann. Dies gewährleistet, dass die Dozierenden stets am Puls der aktuellen Forschung und Entwicklung bleiben. Zudem ergeben sich für die Studierenden immer wieder Möglichkeiten, den Theoriestoff im Rahmen von Projekt-, Master- und Bachelorarbeiten in praktischen Aufgabestellungen anzuwenden

Infos

Christoph Meier
Professor für Physik und Optik
Leiter HuCE-optoLab