
«Das eigene Handeln in einen globalen Kontext stellen»
Die globale Vernetzung verstärkt den Wettbewerb um Talente und Innovation. Gleichzeitig nehmen die individuelle Selbstbestimmung und eine Fragmentierung der Gesellschaft zu. In diesem Spannungsfeld sieht Peter Staub, Direktor der BFH-AHB, die Chancen und Herausforderungen für die Berner Fachhochschule.
Globalisierung und Individualisierung gelten als zwei aktuelle Megatrends. Was bedeuten diese Begriffe für Sie persönlich?
Man kann durchaus sagen, dass die Globalisierung mein Leben geprägt hat. Schon als Kind hatte ich das Glück, mit meiner Familie Reisen auf verschiedenen Kontinenten zu unternehmen. Wohl auch dank diesen Erlebnissen entwickelte ich ein grosses Interesse für verschiedene Kulturen und Länder. Dass ich während mehrerer Jahre im Ausland leben durfte, dort auch meine Frau kennengelernt habe und unsere Kinder dreisprachig aufwachsen, ist wohl dessen logische Konsequenz. Es war und ist für mich stets eine grosse Bereicherung, den persönlichen und geografischen Horizont zu erweitern und dadurch das eigene Handeln in einen grösseren, globalen Kontext zu stellen. Denn letzten Endes – und das macht die akute Klimakrise nun endlich deutlich – bewohnen wir einen einzigen Planeten. Und die Effekte unseres Lebensstils sind vielleicht nicht sofort bei uns sicht- und spürbar, andernorts aber durchaus. Umso mehr gilt es, Bewusstsein für die globalen Zusammenhänge zu schaffen, sodass sich unsere Verantwortung nicht rein auf unsere Wohlstandsblase beschränkt.
Die Individualisierung verstehe ich als eine Konsequenz der Globalisierung. Sie ist eine Möglichkeit, sich bei voranschreitender kultureller Durchmischung zu verorten und sich zugehörig zu fühlen. Dies wiederum bringt eine Fragmentierung der Gesellschaft mit sich, die es zunehmend schwierig macht, die grossen Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Dieses Spannungsfeld wird unsere Generation und wohl auch noch diejenige unserer Kinder prägen.
Inwiefern sind diese Trends für die Entwicklung der Berner Fachhochschule von Bedeutung?
Vielleicht zuerst zur Globalisierung: Das Hochschulwesen hat sich bezüglich Globalisierung spätestens seit den institutionalisierten und geförderten Studierenden- und Dozierendenmobilitäten (Stichwort «Erasmus») stark verändert. Die Forschung wird immer vernetzter, internationaler und interdisziplinärer. Die grossen Förderinstitutionen der Forschung setzen dies sogar voraus. Dies bedeutet einerseits, dass die Zusammensetzung der Studierenden an der BFH immer internationaler wird. Andererseits heisst dies auch, dass die an der BFH bearbeiteten Forschungsthemen für den Kanton Bern und die Schweiz von grosser Relevanz sind, sich aber gleichzeitig in einem globalen Kontext spiegeln. Ziel muss es für die BFH sein, die besten Studierenden und Forschenden anzuziehen und sie in der Region zu halten. Denn der Fachkräftemangel macht es deutlich; allein können wir die heutigen Herausforderungen nicht meistern. Und für diesen angestrebten «Brain Gain» müssen wir die besten Voraussetzungen schaffen. Dazu gehören attraktive Studienangebote in Deutsch, Französisch und Englisch sowie ein wettbewerbsfähiges Forschungsumfeld. Denn die besten Studierenden und Forschenden können sich ihren Studien- und Arbeitsort heute aussuchen.
Womit wir bei den Effekten der Individualisierung wären. Hier erscheint es mir wichtig, dass das Studienangebot die nötigen Freiheiten für die Studierenden mit sich bringt, indem durch ein Angebot über die Disziplin hinweg individuelle Lernpfade begangen werden können. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch im Sinne der Förderung des nachhaltigen, unternehmerischen Denkens und Handelns die Profile der Abgänger*innen nicht zu eng definieren sollten. Nur so entstehen auch neue, innovative Ideen und Berufsfelder.
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