
Das Rasterelektronenmikroskop – unverzichtbar in der Werkstoffanalytik
Manchmal lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Wenn das Lichtmikroskop an seine Auflösungsgrenze stösst, kommt das Rasterelektronenmikroskop (REM) zum Zuge. An der Berner Fachhochschule reicht die untersuchte Werkstoffpalette von Holz über Metalle und Keramiken bis hin zu Lacken und Farbstoffen. Der vorliegende Artikel zeigt anhand zweier aktueller Arbeiten exemplarisch, welche Untersuchungsmöglichkeiten das REM bietet.
Wärmebehandlung von metallischen Bauteilen
Der Trend zu additiv gefertigten Bauteilen führt zu Werkstoffen mit einer sehr feinen inneren Struktur, dem sogenannten Gefüge. Um die Eigenschaften dieser Werkstoffe zu verstehen und gezielt einstellen zu können, ist die Gefügeanalyse von entscheidender Bedeutung.
Abb. 1 zeigt das Gefüge eines mittels selektiven Laserschmelzens (SLM) gefertigten Bauteils aus der Aluminiumlegierung AlSi10Mg. Das in dieser Legierung enthaltene Silizium bildet aufgrund der sehr schnellen Erstarrung beim SLM-Prozess ein extrem feines Netzwerk aus, das nur noch mit dem REM sichtbar gemacht werden kann. Dieses Netzwerk aus hartem Silizium führt zu einer hohen Festigkeit, aber auch zu einem relativ spröden Werkstoffverhalten. Durch eine gezielte Wärmebehandlung lässt sich die Sprödigkeit stark vermindern. Nach einer Behandlungsdauer von nur fünf Minuten bei etwa 540 °C hat sich das Siliziumnetzwerk aufgelöst, und es sind stattdessen viele kleine Siliziumteilchen entstanden (Abb. 2). Soll ein ähnlicher Effekt bei gegossenen Bauteilen erzielt werden, ist eine Behandlungsdauer von bis zu zwölf Stunden notwendig, was auf die viel gröbere Gefügestruktur von Gussteilen zurückzuführen ist.
Ist mehr als nur eine optische Information über das Gefüge erwünscht, bietet sich die Elektronenrückstreubeugungsanalyse (EBSD) an. Abb. 3 zeigt durch die verschiedenen Farben die räumliche Orientierung der Kristalle im Bauteil auf.
Gefügeanalysen mittels Rasterelektronenmikroskopie sind für den Werkstoffexperten also eine wichtige Grundlage, um das unterschiedliche Verhalten von additiv gefertigten und gegossenen Bauteilen verstehen und den Wärmebehandlungsprozess entsprechend anpassen zu können.
Bewertung von mineralisiertem Holz
Eine umweltfreundliche Alternative zu chemischen Holzschutzmitteln ist die Holzmodifikation. Unter dem Begriff der Holzmodifikation versteht man eine dauerhafte und gezielte Änderung einer oder mehrerer Eigenschaften des Holzes über den gesamten Nutzungszeitraum. Das modifizierte Holz soll am Ende seiner Gebrauchsdauer keinen grösseren Effekt auf die Umwelt haben als unbehandeltes Holz und sich entweder problemlos entsorgen oder weiterverarbeiten lassen.
Im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte wird an der BFH zur mineralischen Modifizierung von Holz geforscht. Dadurch sollen die biologische Beständigkeit und die Brandresistenz verbessert werden. Der Ansatz besteht darin, anorganische Verbindungen wie z. B. Salze unter Druck in die Holzsubstanz einzubringen. Diese mineralischen Verbindungen sind nicht brennbar und sollen z. B. eine Brandausbreitung bei Holzelementen verhindern. Bei der Mineralisierung handelt es sich um eine Durchtränkung, bei der das gesamte Substrat imprägniert wird. Um den Erfolg der Mineralisierung zu bewerten, müssen u. a. die Verteilung und die Eindringung der eingebrachten Substanzen in der Holzsubstanz bestimmt werden.
Die Elementanalyse mittels EDX (Energy-dispersive X-ray spectroscopy – Energiedispersive Röntgenspektroskopie) ist ein hilfreiches und schnelles Instrument zur Messung der Elementverteilung in einem inhomogenen Werkstoff. Die Oberfläche der Probe wird mittels eines fokussierten Elektronenstrahls angeregt, wodurch Elektronen aus den inneren Schalen ausgeschlagen werden. Diese Lücken werden durch Elektronen höherer Atomorbitale aufgefüllt. Während dieses Vorgangs wird Energie freigesetzt und in Form von Röntgenstrahlung emittiert. Dieser Vorgang ist elementspezifisch und kann somit zur Elementanalyse genutzt werden.
Eine besondere Herausforderung bei der Holzmodifikation stellt die Analyse der Eindringung und der Verteilung der entsprechenden Substanzen dar. Dabei ist entscheidend, ob sich die jeweiligen Stoffe in den Zellwänden oder im Zelllumen abgelagert haben. In der Regel bedarf es dazu zeitintensiver Prüfungen wie z. B. Messungen zur irreversiblen Quellung der Zellwände. Die EDX-Analyse bietet sich dabei als eine zeitsparende Alternative an, da die Probenvorbereitung und die Messung schnell und mit relativ geringem Arbeitsaufwand durchgeführt werden können
Bei der Mineralisierung von Holz lassen sich die anorganischen Strukturen in Form der zugehörigen Elemente gut von den Elementen des Holzes (hauptsächlich Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff) unterscheiden und liefern mithilfe der entsprechenden Software klar zu interpretierende Daten. Abb. 4 zeigt mineralisiertes Buchenholz, das mit einem auf Silizium basierendem Modifikationsmittel behandelt wurde. Silizium wurde hauptsächlich in den Zelllumen der Gefässe detektiert. Das weist darauf hin, dass das Modifikationsmittel nicht bis in die Zellwände eindringen kann.
Im Gegensatz dazu ist in Abb. 5 eine Eichenprobe abgebildet, die mit Kalziumchlorid behandelt wurde. Bei der Betrachtung durch das Rasterelektronenmikroskop wirkt es so, als seien keine holzfremden Stoffe in der Holzsubstanz vorhanden. Das Mapping mithilfe der energiedispersiven Röntgenspektroskopie macht jedoch sichtbar, dass sich Kalziumchlorid in den Zellwänden eingelagert hat.
Durch genaue Kenntnisse über die Verteilung in der Holzsubstanz kann einerseits der Erfolg der Mineralisierung bewertet werden, andererseits lassen sich auch Rückschlüsse auf verschiedene sich einstellende Eigenschaften wie z. B. die Brandhemmung ziehen.
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