E-Bus-Routen optimal planen

Wie hängt Elektromobilität mit Lebensqualität im Quartier zusammen? Der rasant wachsende Mobilitätsbedarf und die Digitalisierung gehören zu den grössten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Um die Zukunft zu gestalten, müssen die globalen Trends und die lokalen Rahmenbedingungen aufeinander abgestimmt werden.

Digitalisierung und Big Data dringen immer stärker in alle Lebensräume hinein, bis in die Wohnquartiere. Zum Beispiel im Rahmen der Linienplanung von Bussen: Ein Forscherteam der BFH hat zwischen 2017 und 2019 im Rahmen eines Innosuisse-Projekts gemeinsam mit der Firma Carrosserie Hess AG ein digitales Werkzeug zur Optimierung der Planung von E-Trolleybus-Linien entwickelt – e-MIP heisst dieses Planungstool. Möglich geworden war es durch Big-Data-Kompetenzen, die sich die Forschenden mittels Beteiligung am Swiss Competence Center for Energy Research Mobility 2014–2020 angeeignet hatten.

Ausgelöst hat diese Zusammenarbeit der SwissTrolley+. Dieser neue Elektrobus der Hess AG kann seine Batterien durch In-Motion-Charging an den Oberleitungen aufladen und damit bis zu 40 Prozent der Fahrdistanz eines Batterieladevorgangs oberleitungslos zurücklegen. Das von der BFH und der Hess AG entwickelte Electro-Mobility-Information-Planning-Tool (e-MIP) bietet Hand, um das Busnetz flexibler zu planen. Das Werkzeug kombiniert Elektromobilität im öffentlichen Verkehr mit dem Bedürfnis nach mehr Lebensqualität und Emmissionsreduktion in urbanen Quartieren. E-MIP verfolgt das Ziel einer Verminderung der CO2-Emissionen gegenüber konventionellen Antrieben wie Dieselmotoren usw.

Zusammenarbeit mit ÖV-Betrieben

Zusammen mit den Verkehrsbetrieben Biel und Bernmobil, die bereits Busse des Typs SwissTrolley+ beschafft haben, wurden zur Entwicklung des Werkzeugs exemplarische Routenszenarien ausgewählt, die tatsächlich Potenzial haben – für Verlängerungen, Routenänderung oder gar für neue Routen. Es wurde eine Datenbank erstellt, und die Charakteristika der gewählten Routen wurden darin erfasst: Länge, Topografie, Haltestellen, Fahrgastzahlen usw. Die unterschiedlichen Routenszenarien wurden dann miteinander verglichen. Die Koeffizienten zur Bewertung der Szenarien generieren sich aus dem Repertoire städtebaulicher Dichtekennzahlen – der eigentlichen Kernkompetenz des Forschungskompetenzbereichs Dencity. Das Vorgehen führte zu einer innovativen Interaktion zwischen quantitativen statistischen Daten, die in ihrer ausgewählten Kombination zu qualitativen kontextuellen Optimierungen führten. Damit ist auch die Eingangsfrage nach dem Zusammenhang zwischen E-Mobilität und Lebensqualität im Wohnquartier beantwortet: Das Ersetzen der Dieselbusse durch E-Trolleybusse reduziert Emissionen im Quartier, optimiert die ÖV-Anbindung und verbessert damit die Lebensqualität für die Bevölkerung insgesamt. Das Ersetzen alter Trolleybusse ermöglicht flexiblere Routenplanung sowie die bessere Erschliessung der Quartiere.

Wissenschaftliches Ziel des Projekts war eine kohärente, Big-Data-basierte, quantitative räumliche Simulation und Evaluation von optimierten, veränderten sowie neuen Busrouten. Dies unter besonderer Berücksichtigung der betroffenen Quartiere und der CO2-Neutrali- tät – sprich der Nullemission. Das Resultat ist eine räumliche Visualisierung von optimierten Buslinienführungen, Passagierkapazitäten, der Auslastung und der urbanen Dichte in einem entscheidungsunterstützenden Cockpit. Zentrales Argument für den Einsatz des Swiss Trolley+ ist, dass er sich an der Oberleitung aufladen kann und deshalb keine zusätzlichen Ladeinfrastrukturkosten generiert.

Visualisieren und Entscheide untertützen

Das Werkzeug e-MIP ersetzt nicht die klassische Verkehrsplanung im öffentlichen Verkehr. Vielmehr visualisiert das Tool die Argumente und unterstützt beim Entscheid im Beschaffungsprozess von Bussen. Einerseits innerhalb der Prozesse der öffentlichen Verwaltung und der involvierten Kommissionen, andererseits für politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger.

In Zukunft werden für jedes E-Vehikel immer mehr Daten zur Verfügung stehen. Erfahrungsdaten und Echtzeitdaten können eingearbeitet werden, deshalb muss das Werkzeug anpassungsfähig und entwicklungsfähig bleiben. e-MIP ist denn auch ein lernendes System. Die ÖV-Anbieter evaluieren zukünftige Konzepte nach dynamischen Fahrplänen und Linienführungen. Hier wird e-MIP seinen Beitrag leisten können.

Werkzeuge zur gezielten Datenaufbereitung, wie e-MIP dies ermöglicht, sind keine Einzelfälle. Es besteht ein Trend, Daten zur nachhaltigen Optimierung der Umwelt zu nutzen. Es geht hierbei nicht einfach um Technologiefolgeentwicklung, sondern um den Umgang mit einer Smart-City-Strategie, in diesem Fall um eine Smart-Mobility-Strategie. Es gilt, die smarten Systeme zu nutzen, nicht nur für den Mehrwert der Firmen, sondern für die Bevölkerung grundsätzlich. Denn: Gut funktionierender nachhaltiger öffentlicher Verkehr ist das Herzstück von urbaner Qualität.

Projektpartner

  • Institut für Siedlungsentwicklung und Infrastruktur ISI mit dem Kompetenzbereich Dencity, BFH
  • Institut für digitale Bau- und Holzwirtschaft IdBH mit dem Kompetenzbereich Management und Marktforschung, BFH
  • Institute for ICT-Based Management ICTM, BFH
  • HESS AG
  • SCCER Mobility
  • Verkehrsbetriebe Biel
  • Bernmobil

Infos

Dr. Joachim Huber
Professor für Architektur, BFH