Herzschrittmacher-Elektroden am rechten Fleck

Bei der Implantation von Herzschrittmachern kann es zu Fehlplatzierungen und Komplikationen kommen, weil Ärzt*innen dazu nur 2-D-Bilder zur Verfügung stehen. Forschende am BFH-Institut für Human Centered Engineering HuCE entwickeln ein neuartiges System, das eine dreidimensionale Visualisierung in Echtzeit ermöglicht.

Herzschrittmacher sind eine der bedeutendsten medizinischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Mit ihrer Hilfe konnte das Leben vieler Patient*innen gerettet und verlängert werden. Meist werden sie bei Herzrhythmusstörungen eingesetzt, wenn also das Herz zu langsam oder unregelmässig schlägt. Herzschrittmacher werden unterhalb des Schlüsselbeins direkt unter der Haut oder dem Brustmuskel eingesetzt. Sie sind mit langen Drähten, den Elektroden, ausgerüstet, die über eine grosse Vene bis ins Herz reichen. Dort messen sie die Aktivität des Herzmuskels und senden wenn nötig elektrische Impulse zur Stimulation der Herzmuskulatur.

Momentan werden allerdings bei fast jeder dritten Implantation von Herzschrittmachern die Elektroden zu wenig genau platziert. Nach ungefähr jedem zehnten Eingriff kommt es deshalb zu ernsthaften Komplikationen. Grund dafür sind die derzeit gebräuchlichen Bildgebungstechnologien, die während der Operation die Position der Elektroden nur zweidimensional darstellen können. Ärzt*innen fehlt also die räumliche Tiefe für eine genaue Platzierung. Das verkompliziert und verlängert die Operationen, weil die richtigen Positionen gesucht und ausgetestet werden müssen. Am Institut für Human Centered Engineering HuCE der Berner Fachhochschule BFH wird deshalb seit zehn Jahren ein neuartiges System entwickelt, das während der Herzschrittmacher-Operation eine 3-D-Visualisierung in Echtzeit ermöglicht. Seit sechs Jahren arbeitet Emily Thompson im vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und von Innosuisse unterstützten Projekt mit, seit zwei Jahren als Projektleiterin. Sie absolvierte an der Universität in San Diego (Kalifornien, USA) einen Bachelor of Science in Bioengineering und an der Universität Bern einen Master of Science in Biomedical Engineering mit dem Schwerpunkt Elektronische Implantate.

Gute Testresultate

Nun steht das Projekt kurz vor dem Abschluss: Das entwickelte Ösophagus-EKG-System (esoECG) besteht aus dem esoECG-3-D-Katheter und der esoLive-Analysesoftware. Der Katheter wird während der Operation durch die Speiseröhre eingeführt. Gleichzeitig senden die Herzschrittmacher-Elektroden von verschiedenen Punkten elektrische Signale, mit denen die Software in Echtzeit ein 3-D-Bild der entsprechenden Herzregion mit einer Genauigkeit von 1 cm3 errechnet. Das reicht für eine genaue Platzierung der Herzschrittmacher.

In den vergangenen zwei Jahren wurde das System in Zusammenarbeit mit dem Berner Inselspital und der Solothurner Spitäler AG an insgesamt rund 60 Patient*innen getestet. Dabei untersuchten die Forschenden insbesondere die Genauigkeit der Algorithmen zur Elektrodenlokalisierung. Die Resultate sind gut: Die Stimulationen im Herzen konnten genau lokalisiert werden. Damit stehen die Chancen gut, dass das System die Platzierung von Herzschrittmachern verbessert und die Dauer von Eingriffen verkürzt. Das esoECG-3-D-System soll an weiteren Patient*innen getestet werden, zudem wollen die BFH-Forschenden die Benutzerfreundlichkeit des Systems für Kardiolog*innen laufend verbessern. Gleichzeitig bereiten sie dessen Markteintritt vor: Im Herbst 2022 wird dazu ein entsprechendes Start-up gegründet.

Einführung in zwei Jahren

Die Marktanalysen sind vielversprechend: Es gibt zwar durchaus Konkurrenzmodelle, die bereits heute über 3-D-Bildtechnologien verfügen. Sie liefern die Bilder aber nicht in Echtzeit oder verfügen über Katheter aus Plastik mit verhältnismässig grossem Durchmesser, die im Gegensatz zum esoECG-3-D-System der BFH einen nicht invasiven Eingriff verunmöglichen.

Der Markt bietet ein grosses Absatzpotenzial: Allein in der Schweiz werden jährlich rund 6000 neue Herzschrittmacher implantiert. In der Europäischen Union (EU) sind es rund 500 000, in den USA mehr als 300 000. Geplant ist, dass das esoECG-3-D-System zuerst in der Schweiz eingeführt wird. Ob danach der europäische oder der US-Markt folgen soll, ist derzeit noch nicht klar. Bis es so weit ist, muss das System aber erst noch das aufwendige Zulassungsverfahren von Swissmedic durchlaufen, der Zulassungs- und Kontrollbehörde für Heilmittel in der Schweiz. Getestet wird insbesondere die technische Funktionsfähigkeit und die Bio-Kompatibilität des neuen BFH-Systems. Die Einführung in der Schweiz ist für Ende 2024 geplant.

Schwedische Pioniere

Arne Larsson ging es schlecht. Der vormalige schwedische Eishockey-Nationalspieler konnte kaum noch gehen, verlor ständig das Bewusstsein. Bis zu 30-mal am Tag setzte sein Herz aus, seine Frau musste ihn jedes Mal mit einem Hieb auf die Brust wiederbeleben. In einer geheimen Notoperation wurde ihm 1958 als erstem Menschen durch den schwedischen Arzt Åke Senning ein Herzschrittmacher implantiert. Er hatte das Gerät zusammen mit dem Ingenieur Rune Elmqvist entwickelt.

Der erste Herzschrittmacher aus dem Jahr 1952 hatte die Grösse eines Röhrenfernsehers und musste von den Patientinnen und Patienten wie einen Einkaufswagen vor sich her geschoben werden. Mit der Erfindung kleiner Batterien und zuverlässiger Transistoren wurden die Schrittmacher in den folgenden Jahren deutlich kleiner und konnten bereits 1957 wie eine Kette um den Hals getragen werden. Im gleichen Jahr begann Rune Elmqvist mit der Arbeit am ersten voll implantierbaren Herzschrittmacher.

Arne Larsson wurden bis zu seinem Tod 43 Jahre nach der ersten Implantation 25 weitere Herzschrittmacher eingesetzt. Sein Tod hatte nichts mit Herzproblemen oder seinem Schrittmacher zu tun.

Emily Thompson
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut for Human Centered Engineering HuCE, BFH