Dorfscheune Eisscholl nach der Sanierung. Foto: Atelier Summermatter Ritz, Brig

Historische Bausubstanz einfach erneuern

Die typischen historischen Holzgebäude in Oberwalliser Dörfern sollen nicht ungenutzt verfallen. Mit effizienteren Planungsprozessen, abgestimmten Musterlösungen und damit reduzierten Umbaukosten gelingt es der BFH gemeinsam mit engagierten regionalen und nationalen Wirtschaftspartnern, den Gebäuden neues Leben einzuhauchen.

Foto: Atelier Summermatter Ritz, Brig

Von der Sonne verwittertes Holz, mit Steinplatten oder Schindeln gedeckte Dächer und wegen der Mäuse teilweise auf Stützen und Steinplatten gebaut: So sehen die jahrhundertealten Häuser in Oberwalliser Dorfkernen typischerweise aus. Die Gebäude dienten früher als Wohn- oder Ökonomiegebäude. Heute sind sie historisch wertvoll und teilweise geschützt – und kaum jemand macht etwas aus diesen Häusern. Denn die Eigentümer*innen haben es in den vergangenen Jahren aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des Komforts vorgezogen, in Neubaugebieten zu bauen, anstatt die alten Gebäude zu renovieren. Unsicherheiten im Bewilligungsprozess lassen die Besitzer*innen zögern. Zudem führen die zahlreichen Individuallösungen zu hohen Umbaukosten, da sie für die planenden und ausführenden Unternehmen einen hohen Beratungsaufwand und letztlich grosse Risiken bis zum Bauabschluss verursachen.

Zwei Gruppen von Wirtschaftspartnern – fünf nationale und zwölf regionale Unternehmen

Damit ein Zerfall dieser einmaligen Gebäudesubstanz verhindert werden kann, müssen die Gemeinden potenzielle Bauherrschaften für eine Aufwertung der Gebäude motivieren. Wie das gelingen kann, hat die Berner Fachhochschule BFH mit zwei Partnergruppen von engagierten Wirtschaftspartnern in einem interdisziplinären Forschungsprojekt erarbeitet, die eine Gruppe mit zwölf regionalen Unternehmen hat sich zur Arbeitsgemeinschaft «Dorfkernerneuerung Oberwallis» zusammengefunden – mit Firmen aus den Branchen Architektur, Schreinerei, Holzbau, Planung, Metallbau und Gipserei. Die zweite Gruppe mit fünf versierten nationalen Wirtschaftspartnern – Fisolan AG, GUTEX Schweiz GmbH, James Hardie Europe GmbH, JOMOS Brandschutz AG und SIGA Cover AG – stellen neben ihrem produktspezifischen Know-how sicher, dass die entwickelten Lösungen auch zukünftig über die Grenzen des Wallis auf andere Regionen der Schweiz übertragen werden. Unterstützt wurde das Vorhaben durch die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung Innosuisse.

Erhalt und Erneuerung wertvoller Gebäude

Mit dem Projekt «VETA/NOVA» werden die wertvollen alten Gebäude in den Walliser Dorfkernen nachhaltig erhalten und erneuert, also aus Altem «VETA» wird Neues «NOVA» entstehen. Hierfür wurde während dreier Jahre der gesamte Bauprozess auf drei Ebenen optimiert, und die Ergebnisse sowie Empfehlungen wurden in thematischen Leitfäden zusammengefasst:

Auf Ebene der Gestaltung wurden in enger Zusammenarbeit mit der kantonalen Stelle Gestaltungsempfehlungen und -leitsätze erarbeitet, um aktuelle Anforderungen an Gebäude mit der jahrhundertealten Bausubstanz zu vereinen.

Auf Prozessebene galt es, die Planungs- und Bewilligungsprozesse in Koordination mit den Gemeinden und Behörden zu vereinfachen und zu vereinheitlichen.

Auf Technikebene erarbeitete das Projektteam standardisierte und abgestimmte Musterlösungen, die den heutigen Anforderungen an die statisch konstruktive sowie energetische Ertüchtigung, die Erdbebensicherheit und den Brand- und Schallschutz gerecht werden.

Die Lösungen vereinfachen die Gestaltung sowie die Umsetzung der Umbauvorhaben, ohne die Konstruktion sowie die architektonische Qualität der Gebäude zu beeinträchtigen.

Vielschichtige Lösungen durch interdisziplinäre Teams

Jede Sanierung eines historischen Holzgebäudes beginnt mit der Beantragung einer Baubewilligung. Im Projekt wurden die einzureichenden Unterlagen sowie die jeweiligen Bewilligungsprozesse überdacht und abgestimmt. Mit der Denkmalpflege erarbeitete Empfehlungen, wie ein Gebäude gestalterisch saniert oder umgebaut werden kann, stellen die Bewilligungsfähigkeit sicher.

Auf technischer Ebene können mit den erarbeiteten Lösungen nach der Zustandsaufnahme beispielsweise Wandkonstruktionen oder die historischen Dielbaum-Geschossdecken effizient für eine Neu- bzw. Weiternutzung verstärkt werden.

Von grosser Bedeutung im Wallis ist die Erdbebensicherheit. Um diese sicherzustellen, wurden zu dynamischen Eigenschaften von Blockbauten und zu horizontalem Tragwiderstand von Blockwänden intensive Untersuchungen durchgeführt. Die erforschten Ergebnisse erlauben jetzt Berechnungen zu Erdbebeneinwirkungen, Verteilung der Kräfte und Tragwiderstand der Wandscheiben.

Auch der Brandschutz ist für die eng bebauten Oberwalliser Dörfer von Relevanz. Bei Altbauten ist dies immer ein Abwägen zwischen Nutzungsänderung, Grösse des Eingriffs und Bestandsschutz. Objektspezifische Lösungsmöglichkeiten mit ergänzenden Massnahmen wie technischen Anlagen gewähren die Sicherheit der Bewohner*innen.

Zentraler Bestandteil jeder Sanierung historischer Holzgebäude ist die energetische Ertüchtigung. Neben dem Einsatz regenerativer Energiequellen wurden robuste Sanierungslösungen für Innendämmungen aufgezeigt, welche die Anforderungen an die Energieeffizienz sowie den Wärme- und Feuchtschutz erfüllen.

Mehr Sicherheit und tiefere Kosten

Die gemeinsam mit den Bewilligungsbehörden abgestimmten Prozesse und Musterlösungen führen zu einer hohen Planungs- und Ausführungssicherheit. Zudem schlagen sich die Massnahmen auch positiv in den Kosten nieder, da der Beratungsaufwand wie auch die Umbaukosten je Bauobjekt reduziert werden konnten. So ermöglichen die Anpassungen an heutige Wohnstandards ein Wohnen in den wertvollen Dorfkernen und führen wegen der grösseren Attraktivität auch zu mehr realisierten Projekten, was zukünftig positive Auswirkungen auf den fürs Oberwallis wichtigen Tourismus und weitere Wirtschaftszweige haben wird.

Thomas Näher
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für digitale Bau- und Holzwirtschaft IdBH, BFH