
Künstliche Intelligenz – vom Hype zum produktiven Einsatz
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz birgt Chancen und Risiken, die es zu managen gilt. Um Studierende damit vertraut zu machen, werden in Lehrgängen oft Beispiele aus dem Silicon Valley behandelt. Die Weiterbildung TI hat deshalb eine Fallstudie entwickelt, die es Studierenden ermöglicht, den Umgang von Schweizer Unternehmen mit künstlicher Intelligenz kennenzulernen.
Dr. Paul Ammann, Weiterbildung TI, BFH
Peter Burkhalter, Weiterbildung TI, BFH
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Oberbegriff und umfasst mehrere Technologien. KI bedeutet den Versuch, einen Computer so zu programmieren, dass er relativ selbstständig Probleme bearbeiten kann. Als Grundlage für die Fallstudie haben die Autoren folgende Unternehmen befragt: BKW, BLS, Die Post, Endress Hauser, F&P Robotics, Imoberdorf, Marcaro, Mobiliar, Monnier-Zahner, netcetera, SAAB Bofors und SBB. In der Folge wurden drei KI-Ansätze bearbeitet.
- Natural Language Processing befasst sich mit der Interaktion zwischen Computern und Menschen unter Verwendung der natürlichen Sprache.
- Machine Learning ist eine Anwendung, die Systeme in die Lage versetzt, automatisch aus Erfahrungen zu lernen und sich zu verbessern, ohne explizit dafür programmiert zu sein.
- Robotic Process Automation / Cobotics befasst sich mit der intelligenten Steuerung kollaborativer Roboter oder Cobots. Als Cobot – aus dem Englischen: collaborative robot – wird ein Roboter bezeichnet, der mit Menschen zusammenarbeitet und nicht durch Schutzeinrichtungen von diesen getrennt ist. Das roboticsLab des Institute for Human Centered Engineering der BFH ist führend in der Cobotics-Forschung.
Die Studierenden bearbeiten in der Fallstudie diese KI-Ansätze anhand von Beispielen der befragten Unternehmen. Damit wird für sie dieses sehr breite Thema konkret fassbar.
Natural Language Processing im Callcenter-Prozess
Ein gut organisierter Callcenter-Prozess ist für den Unternehmenserfolg der BKW unabdingbar, sichert dieser doch die Zufriedenheit der Kundschaft. Helpdesk-Dienstleistungen sind jedoch sehr kostenintensiv, da sie von Menschen erbracht werden. Natural Language Processing stellt eine Technologie zur Verfügung, die es erlaubt, Teile dieser Kundendienstleistungen zu automatisieren und gleichzeitig mit einer gewissen Intelligenz eine möglichst hohe Qualität der Antworten auf eine Frage zu erreichen. Damit kann die BKW einfache Fragen sehr effizient und zu über 98% korrekt beantworten lassen. Eine wichtige Herausforderung ist die zum Teil fehlende Akzeptanz der Kundschaft, mit einer Maschine zu sprechen. Hauptvorteile sind die Entlastung der Ressourcen, die für höherwertige und komplexere Aufgaben eingesetzt werden können.
Machine Learning für Predictive Maintenance
Die Maschinenfabrik Imoberdorf AG beliefert Hersteller von komplexen Einzelteilen mit Rundtaktanlagen. Möglichst kurze Stillstandzeiten der Maschinen sind für die Kunden von höchster Priorität. Die Predictive Maintenance, d. h. «vorausschauende Wartung», spielt dabei eine wichtige Rolle. Diese Wartung greift ein, bevor ein Problem bei einer Maschine entstanden ist. Probleme können somit gelöst werden, ohne den Betrieb der Maschine zu unterbrechen oder eine Wartung mit dem Kunden zu planen. Folgender Ansatz der Predictive Maintenance wird implementiert: Für jede Anlage werden bei der Inbetriebnahme Referenzdaten erhoben. Während des Betriebs beim Kunden werden die realen Daten mit den Referenzdaten verglichen, und Abweichungen führen zu Meldungen und unter Umständen zu Eingriffen durch die Wartung. Als KI-Anwendungen sind zwei Ansätze denkbar. Die Bearbeitungsspindel, an denen die Werkzeuge befestigt werden, können durch Sensoren kontinuierlich überwacht werden. Die Kombination von Referenzdaten mit Machine-Learning-Methoden ermöglicht es, den Zustand der Spindel ständig zu beurteilen und den Betreiber frühzeitig vor möglichen Problemen zu warnen. Als zweiter KI-Ansatz ist Machine Learning in der Schwingungsanalyse der Maschine angedacht. Das Überschreiten der zulässigen Frequenzen wird überwacht, und der Betreiber wird gewarnt. Herausforderungen für die Einführung von KI sind die oft fehlenden Daten, da die Maschinen nicht mit allen notwendigen Sensoren ausgerüstet sind und das Unternehmen nur begrenzten Zugriff auf die Daten bei der Kundschaft erhält. Vorteile für die Kundschaft ist die Vermeidung von Stillstandzeiten, die hohe Kosten- und Umsatzverluste verursachen.

Cobots in Schweizer Altersheimen
Cobots werden in mehreren Schweizer Altersheimen und REHA-Kliniken bereits eingesetzt (Abbildungen). Das Unternehmen F&P Robotics hat dafür den Cobot Lio entwickelt. In Altersheimen übernimmt er wichtige Aufgaben: das Verteilen von Objekten (Medikamenten) innerhalb einer Station und die Begleitung von Personen in der Einrichtung, die Förderung von Gesundheit und Spass für Bewohner und Patienten durch aktive Interaktion und mentale und körperliche Übungen. Heime, Mitarbeitende, Bewohnerinnen und Bewohner haben Vorteile durch den Einsatz der Roboter. Der Roboter der FP-Robotics wurde ganz bewusst nicht in menschlicher Form entwickelt, um den Unterschied Mensch/Maschine zu verdeutlichen und möglichen erhöhten Erwartungen oder Ängsten der Bewohnerinnen und Bewohner und der Mitarbeitenden vorzubeugen. Hauptvorteile der Cobots sind die Erhöhung der Unabhängigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner der Altersheime sowie die Arbeitserleichterung für das Personal.
Einsatz von KI
Die Studierenden werden aufgrund dieser Fallstudie Chancen und Risiken des KI-Einsatzes in Schweizer Unternehmen kennenlernen. Für die befragten Personen ist die Technologie nie eine strategische Positionierung, sondern ein Mittel, um die Bedürfnisse der Kundschaft besser zu erfüllen. Es ist sehr interessant, dass die Verfügbarkeit von Daten für viele Unternehmen eine grosse Herausforderung ist. Oft beruhen Ansätze der künstlichen Intelligenz auf der Verfügbarkeit sehr grosser Datenvolumen in guter Qualität, die selten zur Verfügung stehen. Die durchgeführten Unternehmensinterviews zeigen weiter auf, dass KI-Anwendungen vermehrt ihren Weg in eine produktive Umgebung finden, sei dies bei Dienstleistungsunternehmen, Transport- und Logistikunternehmen oder in der Industrie.
CAS Innovatives Service Management mit digitalen Technologien
In diesem CAS lernen die Studierenden, wie sie Künstliche Intelligenz, Chatbots, Mixed Reality, IoT und weitere Technologien in ihre Serviceprozesse integrieren und damit innovative Serviceangebote entwickeln können.
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