
Lasertechnologie aus der Schweiz – auf das µ kommt es an
Ultrakurze Laserpulse mit massgeschneiderten Eigenschaften lassen sich für die Entwicklung neuer Fertigungsmethoden in der Mikromaterialbearbeitung einsetzen. Zudem sind sie Grundlage für optische Messsysteme, die für die Industrie 4.0 relevant sind. Solche Laser und Systeme entwickelt das Spin-off TLD Photonics AG.
Lasertechnologie ist heute in Bereichen der Fertigungstechnik, der Medizin, der Grundlagenforschung und der Datenübertragung sowie in vielen anderen Anwendungen etabliert. Trotzdem entwickeln sich Laser und Laseranwendungen mit ungebremster Geschwindigkeit weiter. Die Schweiz war und ist in der Entwicklung von Lasersystemen und Laseranwendung in vielen Bereichen vertreten und in einigen sogar an der Spitze mit dabei.
Industrienahe Forschung als Innovationstreiber
Ein Grund für den Erfolg ist die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie, Hochschulen und Forschungsinstituten bei der Entwicklung industrierelevanter Lasertechnologien. So gibt es auch zwischen dem Institut ALPS der Berner Fachhochschule BFH und dem Laserteam des IPPE an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW eine langjährige Zusammenarbeit in verschiedenen Entwicklungsprojekten, verbunden mit einem kontinuierlichen Wissensaustausch.
Im Rahmen dieser Kooperation wurde ein Innosuisse-Projekt durchgeführt, in dem die Anwendung der optischen Kohärenztomographie (OCT) für industrielle Anwendungen, insbesondere für die Mikromaterialbearbeitung, untersucht wurde. Aus diesem Projekt ist das Spin-off TLD Photonics AG entstanden.
Die OCT als Messverfahren eignet sich für die Echtzeiterfassung von Prozessdaten. Diese bilden die Grundlage aller intelligenten Optimierungsentscheidungen der Industrie 4.0. Gerade schnelle und präzise optische Messverfahren wie die OCT bieten ein enormes Potenzial im Bereich der Mikrobearbeitung und der additiven Fertigung. Allerdings ist hierfür eine deutliche Leistungssteigerung hinsichtlich der Geschwindigkeit und Präzision notwendig.
Laserpulse kürzer als die Dicke eines menschlichen Haars
Um die notwendige Messgeschwindigkeit zu erreichen, wurde ein neues Konzept für einen Titan:Saphir-basierten Ultrakurzpulslaser entwickelt. Der Titan:Saphir-Kristall als Lasermedium eignet sich dazu, extrem kurze Laserpulse mit rund 100 Femtosekunden Pulsdauer zu erzeugen. Eine Femtosekunde ist ein Billiardstel einer Sekunde, und in 100 Femtosekunden breitet sich Licht gerade mal 30 Mikrometer aus. Ein 100-Femtosekunden-Puls ist damit kürzer als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Femtosekundenlaser können zur Anregung von Fluoreszenz benutzt werden. Solche speziellen Mikroskopieverfahren werden unter anderem für die Bildgebung von Zellen eingesetzt – siehe Abbildung 1.
![Abbildung 1: Bildgebungen von Zellen erreicht mit einem blau gepumpten Titan:Saphir-Laser. Durch mehrere Fluoreszenzfarbstoffe eingefärbte a) Zellen eines Mausdarms, b) BPAE-Zelle und c) Maussehne (A. Rohrbacher et al. Opt. Express 25, 10677–10684 [2017])](/fileadmin/_processed_/7/a/csm_35559_05_82b8a64d8b.png)
Heutige Titan:Saphir-basierte Ultrakurzpulslaser sind komplex in der Herstellung und aufwendig in der Wartung. TLD Photonics macht sich die Weiterentwicklung von Laserdioden im blauen Spektralbereich zunutze. Hierdurch kann die komplexe und ressourcenintensive Architektur der Laser entscheidend vereinfacht werden. Dies trägt zu einer verbesserten Stabilität und Zuverlässigkeit, aber auch zu einer Steigerung der Effizienz der Laser bei.

Eine Million Distanzmessungen pro Sekunde
Der neu entwickelte Titan:Saphir-Laser fungiert als Lichtquelle für ein interferometrisches Messprinzip. Dieses Prinzip funktioniert ähnlich wie das OCT-Verfahren, das heutzutage hauptsächlich zur Diagnostik in der Augenheilkunde eingesetzt wird. In der Fertigungstechnik findet OCT bisher, trotz hohem Potenzial, aufgrund hoher Systemkosten, aufwendiger Integration und beschränkter Messgeschwindigkeit nur wenig Akzeptanz.
Anders als in der Medizin soll das OCT-System von TLD Photonics keinen Querschnitt des Gewebes bzw. Materials aufnehmen, sondern die lokale Struktur, also die Topografie, des Werkstücks hochgenau vermessen. Doch Ziel ist es nicht nur, genau zu messen, sondern auch sehr, sehr schnell.
Basierend auf der Prinzipstudie aus dem erwähnten Innosuisse-Projekt wird momentan ein System entwickelt, das statt der am Markt üblichen Zehntausenden Messpunkte über eine Million Messpunkte pro Sekunde aufzeichnen soll, und dies zu einem wettbewerbsfähigen Preis.
Doch weshalb wird solch eine enorme Messrate überhaupt benötigt? In der modernen vernetzten Fertigung bilden Echtzeitmessungen die Grundlage der Prozessüberwachung. Nur durch Millionen Messpunkte pro Sekunde kann eine Onlineprozessüberwachung bei hinreichender Genauigkeit ohne Erhöhung der Prozesszeit ermöglicht werden. Damit kann nicht nur eine Onlinequalitätskontrolle erreicht, sondern auch eine Grundlage für die Umsetzung von Industrie 4.0 in Fertigungsanlagen geboten werde. TLD Photonics hat sich zum Ziel gesetzt, den Durchbruch der OCT-Technologie in der Mikromaterialbearbeitung zu erreichen. Dies durch die Kombination von hoher Messgeschwindigkeit und einer axialen und lateralen Auflösung im Mikrometerbereich.
Das Messsystem misst jeweils nur einen Punkt auf dem Werkstück. Um das ganze Werkstück vermessen zu können, wird dieser Messpunkt mit einem Galvanometerscanner über das Objekt bewegt. Nur wenn mehrere Millionen Messpunkte pro Sekunde präzise positioniert werden können, kann die Performance des Messsystems ausgenutzt werden. Hier kommt das an der BFH entwickelte System namens Synchro zum Zug. Synchro ist ein patentiertes Elektroniksystem, das in einer langjährigen Zusammenarbeit der Institute I3S und ALPS entwickelt wurde. Es dient dazu, Bearbeitungsprozesse mit ultrakurzen Laserpulsen auf den Puls genau zu steuern. Hierfür synchronisiert die ausgeklügelte Elektronik den Galvanometerscanner mit der Pulsausgabe des Lasers phasenstabil. Entsprechend erreicht Synchro eine reproduzierbare Positionierung des Laserpulses mit einer Submikrometergenauigkeit und dies bei voller Scangeschwindigkeit von einigen Dutzend Metern pro Sekunde. TLD Photonics soll künftig die Möglichkeit erhalten, diese Synchronisationselektronik unter Lizenz herzustellen und zu vertreiben.
Schweizer Hochschulen generieren Hightech
Die TLD Photonics AG stellt sich also als Lieferant von Hightech in der Lasertechnologie auf, mit anwendernahen Produkten für die Industrie und für Forschungsinstitutionen. Hierbei kommt dem Spin-off die Kombination aus industrienaher Anwendungsforschung und der langjährigen Industrieerfahrung seiner Mitarbeiter*innen zugute. Die engen Kooperationen und das sich ergänzende Know-how der beiden Hochschulen ermöglichen es, in einem solch hochentwickelten Umfeld Fuss zu fassen.
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