Mit neuem Recyclingverfahren mehr aus Lithium-Ionen-Batterien herausholen

Die Berner Fachhochschule BFH entwickelt zusammen mit Partnern ein neues Verfahren für ein effizienteres Recycling von Lithium-Ionen-Batterien. Ein Ziel des Projekts besteht darin, mehr wertvolle Rohstoffe aus Altbatterien zurückzugewinnen und dadurch Materialkreisläufe zu schliessen.

Kaum jemand zweifelt daran, dass den Strassenfahrzeugen mit elektrischem Antrieb die Zukunft gehört. Als Energiespeicher verwenden sie Lithium-Ionen-Akkumulatoren, die immer leistungsfähiger, langlebiger und günstiger werden. Bis 2030 dürften jährlich rund 60 000 Tonnen dieser Batterien in die Schweiz importiert werden. Sie enthalten Rohstoffe, deren Gewinnung und Verarbeitung erhebliche Umweltbelastungen verursachen. Damit Elektromobilität ihr Nachhaltigkeitsversprechen erfüllen kann, gilt es, mit diesen zum Teil raren und teuren Materialien sparsam umzugehen. Deshalb rücken zunehmend auch die Recyclingverfahren für ausgediente Lithium-Ionen-Batterien in den Fokus der Wirtschaft und der Wissenschaft. Die Inhaltsstoffe der Batterien sollen möglichst vollständig zurückgewonnen und für die Herstellung neuer Batterien verwendet werden.

90 statt 70 Prozent zurückgewinnen

Im Rahmen eines Innosuisse-Projekts befasst sich die BFH derzeit mit der Optimierung bestehender Recyclingverfahren, insbesondere jenes, das an der Technischen Universität Braunschweig entwickelt worden ist. Mit diesem können rund 70 Prozent der Inhaltsstoffe von Lithium-Ionen-Batterien zurückgewonnen werden. Umsetzungspartner des Projekts ist das Schweizer Start-up LIBREC AG. Das Unternehmen will schon bald ein Recyclingwerk eröffnen, das ausgediente Fahrzeugbatterien entweder für einen Second-Life-Einsatz aufbereitet oder diese demontiert und rezykliert. Beim stofflichen Recycling wird eine Rückgewinnungsrate von 90 Prozent angestrebt. Die Aufgabe der Forschungspartner besteht nun darin, diese ehrgeizige Quote in dem auf zwei Jahre befristeten Projekt zu erreichen. Neben der BFH beteiligen sich die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) und der Switzerland Innovation Park Biel/Bienne (SIPBB) am Projekt.

Gleich bei mehreren Aspekten des Verwertungsprozesses streben die Forschenden Verbesserungen im Vergleich zum bekannten Verfahren an. Das beginnt bei der Charakterisierung der Batterien. Hier geht es darum, die genaue Materialzusammensetzung und den «Gesundheitszustand» jeder Batterie zu analysieren. Mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen lässt sich bestimmen, ob eine Second-Life-Anwendung oder eine stoffliche Verwertung sinnvoller ist. Ebenfalls wichtig ist eine verlässliche Tiefenentladung, weil unvollständig entladene Batterien wegen der hohen Spannungen ein Sicherheitsrisiko darstellen. Die zurückgewonnene Restenergie trägt ausserdem dazu bei, die Energiebilanz des Recyclingverfahrens zu verbessern. Eine wesentliche Optimierung streben die Forschenden bei der anschliessenden Demontage der Batteriepacks an. Die Trennung der einzelnen Batteriemodule erfolgt heute noch manuell. Das ist erstens aufwendig und entsprechend kostenintensiv und zweitens mit Risiken verbunden. Mit einem teilautomatisierten Verfahren und mit neuen Sicherheitsvorrichtungen sollen diese Schwächen des heutigen Verfahrens behoben werden.

Schreddern, trocknen, trennen

Für die Entwicklung der Prozesse zur Charakterisierung, zur Tiefenentladung und zur Demontage der Batterien ist der SIPBB zuständig. Er verfügt mit seinem Swiss Battery Technology Center über ein grosses Know-how bei diesen Themen.

Die anschliessende Rückgewinnung eines möglichst hohen Anteils der Materialien gehört zum Aufgabenbereich der BFH. Sie betreibt in Burgdorf eine Fertigungsanlage für Batterie-Kleinserien und kann in diesem Bereich ihre Kompetenzen ausspielen. In einem ersten Schritt werden die Batteriemodule geschreddert. Anschliessend wird das zerkleinerte Material getrocknet, damit keine gefährlichen Dämpfe mehr entweichen. Die Herausforderung besteht darin, die Lösungsmittel in der Elektrolytflüssigkeit aufzufangen und zu reinigen, um sie wiederverwerten zu können. Bei allen heute üblichen Verfahren werden die Lösungsmittel verbrannt.

Das getrocknete Material wird nun zuerst mechanisch getrennt. Nachdem unerwünschte Materialien wie Kunststoffteilchen entfernt worden sind, verbleibt die sogenannte Schwarzmasse. Sie enthält alle Bestandteile der Kathoden und Anoden, namentlich Lithium, Grafit und verschiedene Metalloxide. Mit dem angestrebten neuen Verfahren soll es nun möglich werden, den Grafit bereits im Recyclingwerk von den Aktivmaterialien der Kathode zu trennen. Durch diese Vorbehandlung erhöht sich der Wert der Schwarzmasse. Diese wird später von spezialisierten Unternehmen aufbereitet, um die wertvollen Metalle Kobalt, Kupfer, Nickel, Mangan und Aluminium sowie das Alkalimetall Lithium zurückzugewinnen. Ob sich der zurückgewonnene Grafit für die Herstellung neuer Batterien verwenden lässt, ist ebenfalls Gegenstand des Forschungsprojekts. Bei den heute üblichen Verfahren wird der Grafit verbrannt oder als Reduktionsmittel in der Metallurgie verwendet.

Testen im Labor, simulieren im Computer

Um die neuen Verfahren zur Auftrennung des Elektrolyten und zur Aufbereitung der Schwarzmasse zu testen, baut und betreibt die BFH in ihrem Forschungslabor eine Versuchsanlage. Gleichzeitig wird sie sämtliche Prozesse digital simulieren. Im Computermodell lassen sich alle Parameter beliebig verändern und die daraus resultierenden Auswirkungen analysieren. Dies ist insbesondere für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wichtig, weil Faktoren wie der Energieverbrauch oder der Unterhalt der Anlagen die Kosten des Verfahrens mitbestimmen. Die BFH wird die aus der Computersimulation gewonnenen Daten der EMPA zur Verfügung stellen. Deren Advancing Life Cycle Assessment Group (ALCA) wird für den gesamten Prozess eine Lebenszyklusanalyse vornehmen. Die Ökobilanzierung soll zeigen, ob das neue Verfahren die hohen Erwartungen erfüllt, das heisst: ob es dazu beiträgt, den Bedarf an Primärrohstoffen zu reduzieren und dem Ziel einer Kreislaufwirtschaft bei Antriebsbatterien näher zu kommen.

Prof. Dr. Axel Fuerst
Leiter Maschinentechnik, BFH