Neue Applikation – Freiformen leicht gemacht

Miro Bannwart, gelernter Zimmermann und M.Sc Architekt, entwickelte im Rahmen seines Bachelorarchitekturstudiums an der BFH ein System zur Programmierung und Umsetzung komplexer Holzfreiformen. Mit dessen Hilfe konnte er 2017 den Gravitational-Pavillon als 1:1-Prototyp umsetzen.  Inzwischen hat er das System zu einer Applikation weiter entwickelt.

Zwei weitere Konstruktionen wurden kurze Zeit später mit demselben System gebaut: Ein Messe-Pavillon für die Krüsi Maschinenbau AG und ein vier Meter hoher Pandabär, der noch heute in Bern im Bimano-Spielplatz besichtigt werden kann. Nachdem Miro Bannwart seine Interessen und Fähigkeiten im Bereich des digitalen Holzbaus mit einem Masterstudium an der Universität Stuttgart weiter verfeinert hat, kehrte er Anfang 2020 an die BFH zurück und befasst sich nun am Institut für digitale Bau und Holzwirtschaft IdBH mit robotischer Fabrikation und geometrisch komplexen Holzkonstruktionen. Im Rahmen seiner Anstellung, insbesondere während der Zeit des ersten Lockdowns, hat Miro Bannwart sein als Student entwickeltes Bausystem zu einer anwendbaren Applikation weiterentwickelt, die es interessierten Betrieben des Schweizer Planungs- und  Baugewerbs bald ermöglichen soll, konventionelle Formen im Holzbau zu sprengen und damit ein Zeichen für eine innovative hölzerne Zukunft zu setzen. Die Geschichte des BFH-Studierendenprojekts, das sich zur Applikation entwickelte, erzählt von Miro Bannwart.

Die digitale Werkzeugkiste: Handwerk vs. Architektur

«Gerne blicke ich auf mein Bachelorstudium Architektur an der BFH in Burgdorf zurück, während dessen ich den Grundstein für mein Freiformsystem gelegt habe. Zuvor beschränkte sich meine Beziehung zur Architektur auf Begegnungen mit Architekt*innen auf Baustellen im Rahmen meiner Tätigkeit als gelernter Zimmermann. Damals schienen mir Architekt*innen oft als etwas unnütz, da sie mir bei technischen Details auf der Baustelle nur selten weiterhelfen konnten und ich damals räumliche, materielle und strukturelle Qualität kaum berücksichtigte – wohl auch, weil in den meisten konventionellen Neubauten, an denen ich mit gebaut habe, Wirtschaftlichkeit und Effizienz weit stärker gewichtet wurden als architektonische Qualität. Die Wogen meines inneren Widerspruchs zwischen dem Zimmermann in mir, der oft beansprucht, alles selbst mit der eigenen Werkzeugkiste bauen zu können, ohne dazu einen Architekten zu brauchen, und dem Architekten in mir, der sich daneben seinen Raum erkämpfen muss, haben sich dadurch etwas geglättet, dass der Architekt in mir durch die Entdeckung der kreativen und verspielten Welt des digitalen experimentellen Holzbaus ein unglaublich schlagfertiges Argument erhalten hat. Die digitalen Methoden erlauben es mir, Formen aus Holz zu bauen, die mit der Fähigkeitenwerkzeugkiste der konventionellen Zimmermannskunst unmöglich umzusetzen wären. Es wäre jedoch vor diesem Hintergrund falsch anzunehmen, dass der ‹digitale Architekt› den ‹konventionellen Zimmermann› damit verdrängt hätte. Es scheint mir eher, dass sich die beiden Gesellen bestens zu inspirieren vermögen und dabei Neues herauskommen kann.

Stolze Studenten und der Prototyp 2017 – auf dem BFH-Campus in Burgdorf

Komplexe Holzfreiformen ganz konkret – ein Messe-Pavillon für die Krüsi Maschinenbau AG

Ein freundliches System, die Quadratur des Kreises und wie Not erfinderisch macht

Hinsichtlich des Programmierens ist es relativ simpel, eine asymmetrische, komplexe, doppelt gekrümmte Form in einzelne, asymmetrische und doppelt gekrümmte Einzelteile aufzulösen. Mit modernen CNC-Maschinen können komplexe Einzelteile zwar produziert werden, grundsätzlich gilt jedoch: Je simpler das Einzelteil ist, desto simpler und günstiger ist auch die Produktion desselben. Als ich als Student das System entwickelte, wäre eine teure Produktion eines Prototyps ausgeschlossen gewesen. Notgedrungen musste ich ein System finden, das die Einzelteile einer komplexen, triangulierten Form soweit abstrahiert, dass diese mit planaren Sägeschnitten zugeschnitten werden können, was die Produktion massgeblich vereinfacht und beschleunigt. Das hat die Umsetzung der Prototypen zusammen mit dem Industriepartner Krüsi Maschinenbau AG erst ermöglicht. Die Programmierung, die diese Abstraktion ermöglichte, konnte ich damals als Student durch visuelles Programmieren umsetzen. Das heisst, bestehende Codebausteine im Rhinoceros und Grasshopper CAD wurden zu einer übergreifenden Logik zusammengefügt. Diese Methode eignet sich für ein schnelles Testen einer Idee, wird aber auch relativ schnell unübersichtlich und für andere Anwender*innen schwierig zu verstehen. Deshalb habe ich nun im Rahmen meiner Anstellung bei der BFH die Logik von Grund auf als benutzerfreundliche Anwendung, als Grasshopper Plug-in, neu programmiert.

Die Vision der Anwendung in freier Wildbahn und der alte Feind guter Architektur

Die beste Programmierung nützt nichts, wenn sie nicht gebraucht wird. Deshalb soll die Entwicklung von Mutigen angewendet werden können, schliesslich gibt es ja noch sehr wenig Erfahrungswerte mit dieser Bauweise. Dazu ist ein Lizenzmodell, kombiniert mit einer Webseite, auf der die künftig mit dem System gebauten Konstruktionen gezeigt werden, in Planung. Damit steht die Richtung fest, in die es weitergehen soll. Letzte Details des Ansatzes werden jetzt feingeschliffen. Natürlich soll auch das Bausystem selbst weiterentwickelt werden, damit es auch dem grössten Feind guter Architektur etwas entgegenzusetzen hat: dem Wetter: Die Konstruktion soll eine Haut erhalten und dadurch regen- und wasserdicht werden. Bis dann kann die Bauweise, wie bereits geschehen, für Pavillons oder Innenraumkonstruktionen aus Balken oder Platten und neu auch aus einer Kombination der beiden angewendet werden. Dabei sind der Fantasie und hoffentlich auch der Zukunft des Holzbaus keine Grenzen gesetzt.»

 

Miro Bannwart
Assistent Institut für digitale Bau- und Holzwirtschaft IdBH, BFH