Präzises Quetschen von Holz für mehr Nachhaltigkeit

Für mehr Nachhaltigkeit: Im Projekt «Long Beach» forscht ein Team der Berner Fachhochschule BFH an einer neuen Holzwerkstoffplatte zur Substituierung von Massivholzlamellen in Brettsperrholz. Dazu entwickeln Forscher*innen aus dem Departement Architektur, Holz und Bau BFH-AHB und dem Departement Technik und Informatik BFH-TI zusammen eine neue Anlage zur Produktion der benötigten Holzspreissel.

Der Projektname «Long Beach» ist ein Wortspiel. Er verweist auf OSB-Platten (Oriented Strand Board), produziert unter Verwendung von langen «strands» – in Englisch eben «Long Beach». Das Projekt steht somit in keinem Zusammenhang mit der Stadt in Kalifornien. Das angestrebte Resultat im Projekt ist ein neuartiger Holzwerkstoff mit Einsatz von langen Spreisseln (Strands), ähnlich dem OSB, jedoch mit verbesserten Eigenschaften zur Substitution von Holzlamellen in Brettsperrholz (Abbildung 1). Dazu sollen qualitativ ungünstige Holzsortimente zu hochwertigen Bauprodukten verarbeitet werden, indem das Holz gequetscht wird. Die Idee: Wird das Holz gequetscht statt geschnitten, trennen sich die Faserbündel entlang der Holzstruktur und behalten ihre natürliche Festigkeit. Bei einem schneidenden Prozess werden die Fasern hingegen durchtrennt und verlieren einen Teil ihrer Festigkeit. Der Quetschvorgang bietet entsprechend einige Vorteile. Es können krumme und dünne Holzsortimente verwendet werden und nicht nur gerades Stammholz mit Mindestdurchmesser. Die Holzausbeute liegt dementsprechend bei fast 100 Prozent, einzig die Rinde kann nicht in der Platte mitverwendet werden. Die so erzeugten Spreissel haben deutlich bessere Eigenschaften als vergleichbare OSB-Strands.

Stahlbeton klimafreundlich ersetzen

Das Projekt wird zusammen mit Scrimber CSC Schweiz AG durchgeführt, einem Spin-off aus der Timbagroup Holding AG. Scrimber CSC hat zum Ziel, stark nachgefragte Bauprodukte, vor allem Stahlbeton, durch umweltfreundliche Baumaterialien zu substituieren und damit einen Beitrag zum CO2-reduzierten Bauen zu leisten sowie die lokale Wertschöpfung zu steigern. Brettsperrholz spielt dabei eine wichtige Rolle. Jedoch basiert dieses Produkt heute auf Vollholzlamellen und ist damit relativ teuer. Hinzu kommt, dass die Holzausbeute nicht besonders hoch ist, weil die rechtwinkligen Holzlamellen aus einem runden Stammholz gesägt werden müssen. Genau hier soll die neue Entwicklung anschliessen: Günstiges Rohmaterial, das derzeit oftmals im Wald verbleibt oder in Energieholz umgewandelt wird, soll in hochwertiges und preislich vorteilhaftes Baumaterial umgewandelt werden. Entsprechend kann Stahlbeton im Bau vermehrt durch klimafreundliche Produkte ersetzt werden.

Geeignete Spreissel als Herausforderung

Die Erzeugung von geeigneten Spreisseln stellt das Forscherteam vor eine grosse Herausforderung. Nach eingehender Analyse der bestehenden Labor- und Pilotanlagen in Europa und Nordamerika konnte keine überzeugende bereits existierende Maschine beschafft werden. Zurzeit können Spreissel lediglich in sehr kleinem Massstab im Labor erzeugt werden (Abbildung 2).

Der Zerspreisselungsprozess ist zentral für das Projekt «Long Beach». Aus diesem Grund ist inzwischen eine Forschungsgruppe des Instituts für Intelligente Industrielle Systeme I3S der BFH in das Projekt eingebunden. In dieser interdisziplinären Zusammenarbeit soll eine neue Laboranlage entwickelt werden, die das Quetschen von Holz zur gezielten Produktion von Holzspreisseln möglich macht und mit deren Hilfe zudem genügend Material für die Produktentwicklung zur Verfügung gestellt wird. Wichtig ist, dass der Prozess «kontrollierbar» wird, das heisst, Grösse und Form der Spreissel sollen steuerbar sein. Weil die Spreisselmerkmale aber nicht ausschliesslich von der Maschine abhängen, sondern auch von den Eigenschaften (z.B. Jahrringbreite) und dem Zustand (z.B. Feuchtegehalt) des Rohmaterials, benötigt es genau diese Art der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Fachwissen zur Entwicklung der Maschine (I3S der BFH-TI) und mit Verständnis des Rohmaterials und des angestrebten Produkts (IWH der BFH-AHB).

Der Startschuss für die interdepartementale Zusammenarbeit ist bereits gefallen. Dazu wurde das Wissen und der Stand der Technik bei der Spreisselerzeugung bereits zwischen den Teams ausgetauscht. Die Forschenden des Instituts für Werkstoffe und Holztechnologie IWH haben in der bisherigen Projektlaufzeit bereits umfassendes Wissen zusammengetragen aus vorherigen Projekten weltweit und aus eigenen Versuchen. Auch konnten erste Platten im Composite Lab am BFH-Standort Solothurnstrasse in Biel mit zur Verfügung gestelltem Material hergestellt werden (Abbildung 3). Das Forschungsteam des Instituts für Intelligente Industrielle Systeme I3S hat währenddessen erste Konzepte erstellt und arbeitet derzeit an der Maschinenentwicklung. Parallel dazu führt das Team des IWH erste Quetschversuche auf einer gebrauchten Kleinmaschine durch; diese Maschine wurde ursprünglich für das Walzen von Metall gebaut. Sie wurde angeschafft, um relevantes Wissen für die Maschinenentwicklung zu generieren. Dabei sollen vor allem die Auswirkung der Geometrie der Walze, deren Oberflächenstruktur (Zähne, Rillen, Perforationen usw.) sowie Einflüsse aus dem Rohmaterial auf die Spreisselherstellung untersucht werden.

Das Projekt «Long Beach» bietet beste Voraussetzungen für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der BFH. Das Departement Technik und Informatik BFH-TI stellt dazu das nötige Fachwissen zur Entwicklung der Anlage, das dem Departement Architektur, Holz und Bau BFH-AHB fehlt. Die Zusammenarbeit ermöglicht den Bau einer bedarfsgerechten Anlage. Die Kooperation unterstützt den Kompetenzaufbau der BFH-AHB in der Entwicklung von Spezialanlagen für die Holzverarbeitung und bietet der BFH-TI die Gelegenheit, anlagentechnisches Know-how in der Praxis zu erproben.

Kurzfristig dient die Zusammenarbeit dem Projekt, langfristig stellt die Kooperation zwischen BFH-AHB und BFH-TI einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum gemeinsamen BFH-Campus Biel/Bienne dar.

Christof Tschannen
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Werkstoffe und Holztechnologie IWH, BFH
Dr. Heiko Thömen
Leiter Kompetenzbereich Verbundwerkstoffe und Möbelentwicklung, BFH