
Roboter, App und Mensch renovieren gemeinsam historische Fenster
Die Basler Firma Quadra Ligna ist an das BFH-Forschungsinstitut für digitale Bau- und Holzwirtschaft IdBH herangetreten, um gemeinsam den Renovationsprozess historischer Fenster zu digitalisieren. Das Resultat: eine App, ein Robotersystem und stolze Mitarbeitende.
Die Firma Quadra Ligna ist spezialisiert auf die Renovation von Fenstern architektonisch wertvoller Bauten. Sie trat mit der Anfrage an die BFH heran, die Massaufnahme zu optimieren und eine maschinelle Lösung für die aufwendigen und potenziell gesundheitsschädlichen Arbeiten des Ausglasens zu finden. Gemeinsam stellten Quadra Ligna und die BFH einen Antrag bei der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse, die das Projekt in der Folge unterstützte. Nach zweijähriger Entwicklungsarbeit ist die neue Lösung seit September 2022 bei der Quadra Ligna AG im Praxiseinsatz.
Nachhaltige Holzfenster
Quadra Ligna ist die Nachfolgefirma der Fenrefo AG, die sich im Bereich der Renovation historischer Fenster eine jahrzehntelange Erfahrung angeeignet hatte. Ihr Inhaber Jochen Ganz ist vom Konzept der Renovation überzeugt: «Wir heben die Fenster energetisch auf das Level einer Neuanfertigung und erhalten gleichzeitig die gesamte Optik und Funktionalität des Originals – das ist noch nachhaltiger als Recycling oder Upcycling.» Konkret werden die Fenster ausgehängt, in der Werkstatt mit einer Zwei- oder Dreifachverglasung sowie auf Wunsch mit Schallschutz ausgestattet und danach wieder in den alten Rahmen montiert. Was einfach klingt, bringt einige Herausforderungen mit sich: Das alte Holz ist oft verzogen, das Mehrfachglas braucht mehr Platz, und die Fenster sind oft mit Sprossen oder Lüftungsflügeln versehen, haben spezielle Formen oder Beschläge. All das erfordert höchste Genauigkeit bei der Arbeit – jedes Fenster ist eine Einzelanfertigung. Firmeninhaber Ganz hatte deshalb schon bei der Übernahme die Vision einer vermehrt automatisierten Werkstatt: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, mussten Teile der Arbeit einer Maschine übergeben und Prozessschritte digitalisiert werden.
«Vorher wurden die Masse auf der Baustelle zu zweit aufgenommen: Eine Person nahm mit dem Rollmeter Mass, die andere tippte die Daten in den Laptop», erklärt Ganz. Heute geschieht alles per App: Das Smartphone oder Tablet wird mit einer Halterung am Arm getragen, die Daten lassen sich mit der Tastatur oder per Spracherkennung eingeben. Ist ein Fenster nicht rechteckig, wird die Geometrie mit einer kalibrierten Kamera direkt digitalisiert. So braucht es für diese Arbeit nur eine Person. Die erfassten Daten werden dem Glashersteller direkt übermittelt, und damit wird auch das Fräsprogramm für den Roboter erstellt. Gleich mehrere potenzielle Fehlerquellen konnten durch diese Entwicklung eliminiert werden. Die App ist das Resultat einer erfolgreichen interdepartementalen Zusammenarbeit von Spezialist*innen der Departemente Architektur, Holz und Bau BFH-AHB sowie Technik und Information BFH-TI. Die Programmierung der App erfolgte im Rahmen einer Bachelorarbeit, begleitet von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter.
Roboter zum Ausglasen
Die zweite Entwicklung des Projekts betraf das Ausglasen: das Entfernen des alten Glases und Kitts sowie das Ausfräsen des Holzes. «Diese Arbeiten sind handwerklich unattraktiv und potenziell gesundheitsgefährdend, weil alte Fenster asbesthaltigen Kitt und bleihaltige Farben enthalten können», sagt Ganz. Hatte man zu Beginn des Projekts noch angenommen, diese Aufgabe würde später von einer CNC-Maschine übernommen, stellte sich im Verlauf der Abklärungen heraus, dass sich ein Industrieroboter besser dafür eignet. Zum Einsatz kommt nun ein Knickarmroboter mit einer speziell für den gewünschten Zweck entwickelten CAM-Software. Des Weiteren entstanden an der BFH ein Spannsystem für die Roboterzelle, mit dem die alten Fenster durch Ansaugen auf einem Drehtisch befestigt werden, und ein Positioniersystem, das die Fenster mithilfe eines Lasers exakt in die Grundposition für den Roboter bringt. Der aufwendige manuelle Prozess des Ausglasens und Nachfräsens, der zuvor rund eine Stunde dauerte, wurde komplett neu definiert. Durch den Einsatz des Roboters und der entwickelten Werkzeugtechnik konnten diese Arbeitsschritte vereint und die Prozesszeit auf zehn Minuten verkürzt werden.
Ein wichtiger Punkt bei der Digitalisierung des Prozesses der Renovation von Fenstern ist die Minimierung der Schnittstellen: Statt dass die Daten den Umweg über eine CAD-Software machen, lassen sie sich jetzt direkt in das parameterbasierte System übertragen. So sinkt auch die Fehleranfälligkeit. Jetzt können sich die Mitarbeitenden auf die Tätigkeiten konzentrieren, die nicht von einer Maschine übernommen werden können: die Planung, das Ausrüsten der Roboterzelle, die Fertigung der Holzteile, die Montage und den Kundenkontakt.

Fokus Mensch
Der Erfolg von Technologisierungsprozessen hängt massgeblich davon ab, wie die Übergabe an die tatsächlichen Anwender*innen gestaltet wird. Auch bei diesem Projekt war es entscheidend, die Mitarbeitenden von Quadra Ligna möglichst früh einzubeziehen. Nach der Grundschulung durch den Roboterintegrator unterrichtete das Projektteam der BFH die Nutzer*innen an vier Halbtagen zum neuen Fräsprozess. Dabei tauchten Verbesserungsvorschläge auf, die in die nächste Anpassungsrunde einfliessen.
«Menschen tun sich in der Regel schwer mit Veränderung», erklärt Ganz. Deshalb hätten sie die neuen Prozesse immer wieder gemeinsam durchdiskutiert und die Erfahrung der Mitarbeitenden laufend bei der Entwicklung berücksichtigt. «Jetzt sind sie richtig stolz darauf, einen Roboter bedienen zu können. Das steigert den Wert ihrer Arbeit.» Die Renovation der historischen Fenster basiert nun auf einer gewinnbringenden Zusammenarbeit von Mensch und Maschine: Beide können ihre Stärken in ihrem Aufgabenbereich einsetzen. Der Inhaber von Quadra Ligna zieht deshalb eine positive Bilanz: «Die durchgeführten Technologisierungsschritte befreien den Menschen von mühsamen und teilweise gesundheitsschädigenden Arbeiten – und sie machen den Prozess effizienter und die Produktion kostengünstiger.»
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