
Roboter programmieren leicht gemacht
Das BFH-Spin-off Auto-Mate Robotics entwickelt ein System, mit dem sich Roboter schnell und ohne viel Fachwissen programmieren lassen. Es erleichtert die Einführung der Automatisierung in kleinen und mittleren Unternehmen.
In modernen Montagehallen der Autoindustrie trifft man keine Menschen an. Roboter haben sie ersetzt und führen ihre Aufgaben Tag und Nacht präzise und schnell aus. Da können Menschen nicht mithalten. Die braucht es nur noch, um die Roboter zu programmieren. Diese Arbeit erfordert allerdings viel Fachwissen und ist zeitaufwendig. Die dadurch entstehenden Kosten sind aber tragbar, weil die Roboter anschliessend über eine lange Zeit nonstop arbeiten.
Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) würden gerne öfter Roboter einsetzen, um monotone Arbeiten effizient zu verrichten. Dann könnten die Mitarbeitenden anspruchsvollere Tätigkeiten übernehmen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Automatisierung ist in einem KMU aber häufig weniger günstig – vor allem, wenn es nur kleine Stückzahlen herstellt oder verarbeitet und seine Produkte ständig den Wünschen der Kundschaft anpassen muss. Ein Hersteller von Uhrenarmbändern etwa verarbeitet zwar übers Jahr eine grosse Anzahl Armbandglieder. Allerdings unterscheiden sich diese in der Form, der Grösse, dem Material und der Farbe – je nach Armbandmodell. Wenn das Unternehmen Kleinserien von ständig modifizierten Teilen verarbeitet, muss der Roboter in kurzen Abständen immer wieder neu programmiert werden, damit er die Teile erkennen, greifen und korrekt verpacken kann. Dieser Aufwand lohnt sich oft nicht.

(Bild: Technik und Wissen, Eugen Albisser)
Ein Roboter für viele Aufgaben
Immer kürzere Produktzyklen, kleinere Produktserien und das Bedürfnis nach hoher Flexibilität in den Produktions- und Verarbeitungsprozessen sind also Hürden, die Unternehmen auf dem Weg zur Automatisierung bremsen. Ein Ausweg aus dem Dilemma sind Roboter, die sich mit geringem Aufwand für häufig wechselnde Aufgaben programmieren lassen. Solche will das BFH-Spin-off Auto-Mate Robotics auf den Markt bringen. Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit ist das Interface, also die Software, welche die Schnittstelle bildet zwischen dem Menschen, dem Roboter und allen mit ihm verbundenen Peripheriegeräten wie Kameras und Sensoren. Dieses Interface hebt sich von bereits verfügbaren Produkten dadurch ab, dass es mit Roboter- und Peripheriesystemen verschiedenster Hersteller kommunizieren und diese somit problemlos einbinden kann. Die Person, die den Roboter programmiert, muss sich somit nicht mit unterschiedlichen Standards und Kommunikationsprotokollen herumschlagen, sondern erteilt die Befehle auf der immer gleichen Benutzeroberfläche.
Diese Benutzeroberfläche ermöglicht es dem Menschen, ohne viel Fachwissen dem Roboter klare Anweisungen zu geben. Die Kommunikation erfolgt mit sogenannten Blocks. Das sind einzelne Programmeinheiten, die sich modulartig zusammenfügen lassen. Mit der entsprechenden Kombination von Blocks ist es möglich, dem Roboter auch komplexere Befehle zu erteilen wie «Ergreif Objekt», «Platziere Objekt in Pallet», «Wiederhole Vorgang, bis Pallet voll ist». Die einzelnen Parameter – etwa die Abmessungen des Objekts oder seine Oberflächenbeschaffenheit – können jederzeit angepasst werden. So lässt sich das System rasch für wechselnde Aufgaben programmieren. Entscheidend ist, dass für das Programmieren der Aufgabe nicht eine schwer erlernbare Programmiersprache nötig ist. An ihrer Stelle kann man die vertraute Sprache benutzen und auch auf intuitiv anwendbare Hilfsmittel wie Kameras zurückgreifen. Diese Vereinfachung kann mit der Einführung der grafischen Benutzeroberfläche für Computer in den 1980er-Jahren verglichen werden. Anstatt eine Aktion mit der Eingabe eines MS-DOS-Befehls auszulösen, genügte von da an ein Mausklick auf ein Symbol. Hinter dem Symbol verbarg sich allerdings weiterhin ein Befehl in einer komplexen Programmiersprache.
Einfache Mensch-Maschine-Interaktion
Bis im April 2023 will das Start-up Auto-Mate Robotics ein Minimum Viable Product, eine Art Beta-Version, konstruieren. Es handelt sich um einen Metallrahmen, in dem ein kollaborativer Roboter und verschiedene Peripheriegeräte montiert sind. Dabei kommen intelligente Bildverarbeitungssysteme zum Einsatz, die komplexe Daten auf neuartige Weise verarbeiten. Sie tragen dazu bei, die Mensch-Maschine-Interaktion stark zu vereinfachen. Geplant ist auch die Entwicklung eines «digitalen Zwillings» der Roboterzelle. Mit diesem lassen sich die Aufgaben des Roboters virtuell simulieren und testen. Alle Betriebsparameter können so optimal eingestellt werden, bevor der reale Roboter überhaupt zum Einsatz kommt. Fehlfunktionen verursachen bei diesem virtuellen Vorlauf ebenfalls nur virtuelle Schäden.
Die Anlage ist für die Bedürfnisse von Unternehmen aus der Präzisionsindustrie zugeschnitten, welche die Entwicklung eines flexiblen Automatisierungssystems an der BFH unterstützen. Im Produktionsalltag wird sich zeigen, wie die zuständigen Mitarbeitenden der BFH-Industriepartner mit dem Programmieren des Roboters über das Interface von Auto-Mate Robotics zurechtkommen. Die Erfahrungen und Rückmeldungen werden anschliessend in die Weiterentwicklung des Systems zur Marktreife einfliessen.
Der Weg zum Unternehmen
Der Einsatz von Visualisierungstechniken für die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen ist ein Schwerpunktthema des Labors für Computerwahrnehmung und virtuelle Realität (cpvr-Lab) der BFH. Hier erfolgten im Rahmen einer Masterarbeit die ersten Schritte zur Entwicklung eines adaptiven Roboters für ein Unternehmen der Uhrenindustrie. Daraus entstand die Idee, das System mit einem eigenen Start-up zum Produkt für den Markt weiterzuentwickeln. Dank einem First-Ventures-Förderbeitrag der Gebert Rüf Stiftung von 150 000 Franken können die drei wissenschaftlichen Mitarbeiter Lucas Renfer, Christian Wyss und Charly Blanc die Entwicklung des Systems Auto-Mate Robotics derzeit an der BFH fortsetzen.
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