Heute arbeiten kollaborative Roboter, unter Einhaltung aller Sicherheitsstandards, direkt mit den Menschen zusammen.

Robotik in der Holzbranche – erst Exoten, dann Schweizer Pioniere

Die Schweizer Holzbranche hat sich zu Beginn schwergetan mit dem Einsatz von Robotern. Eduard Bachmann, BFH-Professor für Automation und Robotik, und sein Team waren massgeblich daran beteiligt, dass sich die Technologie dennoch durchgesetzt hat. Das Potenzial sei noch lange nicht ausgeschöpft, ist er überzeugt.

Die Skepsis war gross in der Branche. Hinter vorgehaltener Hand habe man sie sogar als Exoten bezeichnet: Eduard Bachmann, Leiter Kompetenzbereich Digitale Fertigung am BFH-Institut für digitale Bau- und Holzwirtschaft, erinnert sich noch gut an die Anfänge der Robotertechnik in der Schweizer Holzbranche. Mit Fug und Recht darf man ihn diesbezüglich einen Pionier nennen. Anfang der 90er-Jahre war er als Forschungsassistent zur Abteilung Forschung und Entwicklung der damaligen Schweizerischen Ingenieur- und Technikerschule für die Holzwirtschaft (SISH) in Biel gestossen. Roboter kamen in diversen Branchen bereits zum Einsatz, insbesondere in der Automobilindustrie mit ihren hohen Stückzahlen in der Produktion. In Skandinavien wurden Roboter Ende der 90er-Jahre auch schon in der Holzbranche eingesetzt.

Demgegenüber war die Schweizer Holzbranche sehr zurückhaltend. Das lag zum einen an den relativ kleinen Stückzahlen in kleinen und mittleren Unternehmen, die gegen eine automatisierte Produktion sprachen. Zum andern ist die Schweizer Holzbranche eher traditionsbewusst und konservativ. 1995 notierte das «Holz-Zentralblatt», dass mittlere und kleinere Betriebe «Schwellenängste haben, sich mit der Roboter-Technologie auseinanderzusetzen». Ein Team der Abteilung Forschung und Entwicklung der SISH mit Eduard Bachmann wollte das ändern. Man war überzeugt, dass Roboter wirtschaftlichere Lösungen im Produktionsprozess ermöglichen. Und auch vielseitig einsetzbar sind.

Roboter zum Selbstkostenpreis

Da ergab sich für die Forschenden eine günstige Gelegenheit: Von der Firma Comau Robotics Deutschland, deren italienisches Mutterhaus zum Fiat-Konzern gehört, erhielt die Schule einen Knickroboter zum Selbstkostenpreis. Er konnte Einzellasten bis zu 120 Kilogramm tragen, verfügte über einen Arbeitsradius von 3 Metern und eine Wiederholgenauigkeit von 0,02 bis 0,2 Millimetern. Daraus entwickelte die damalige SISH eine Roboterzelle, mit der in Zusammenarbeit mit Betrieben unterschiedliche Anwendungen für die Holzindustrie getestet wurden. Dazu gehörten die Beschickung von Fensterfriesen auf Pressen, das Beleimen von Flächen und Konturen oder das Verputzen von Werkstücken und Massenteilen. Die Programmierung von komplexen Bewegungsabläufen des Roboters war aus heutiger Sicht schwierig, gleichzeitig aber einfacher als jene für CNC-Bearbeitungszentren.

Heute, rund 25 Jahre später, sagt Eduard Bachmann: «Die Robotertechnologie hat auch in der Schweizer Holzbranche Fuss gefasst.» Die häufigsten Anwendungsbereiche seien die Beschickung von Maschinen und die Oberflächenbearbeitung, insbesondere das Schleifen. «Im Vergleich zu den damaligen Robotern sind heutige Modelle drei Mal leistungsfähiger und mindestens halb so teuer», hält der BFH-Professor für Automation und Robotik fest. Zahlen zu den aktuell in der Schweizer Holzbranche im Einsatz stehenden Robotern gibt es nicht. Daten gibt es einzig für die gesamte Industrie: Demnach kamen 2019 in der Schweiz auf 10 000 Mitarbeitende 161 Roboter. Für Deutschland betrug dieser Wert 350, was insbesondere an der dortigen Automobilindustrie liegt.

Kein Job-Killer – ein Job-Veränderer

Für die Verbreitung der Robotertechnologie war entscheidend, dass die Programmierung laufend einfacher wurde und gleichzeitig die digitalen Kompetenzen jüngerer Generationen stiegen. Und nicht zuletzt trug Eduard Bachmann selbst einen Teil dazu bei: Zusammen mit einem Partner und mit Unterstützung der BFH gründete er Ende der 90er-Jahre das Start-up Wood Unlimited AG, das Roboter für Holzbetriebe individuell gestaltete. Mit seinem Unternehmen, das er nach zehn Jahren verkaufte, musste er zu jener Zeit viel Überzeugungsarbeit leisten. Die Arbeit sei sehr intensiv gewesen, auch weil sie mit vielen Reisen verbunden gewesen sei: Insbesondere grosse Möbelproduzenten aus Deutschland, Österreich und Frankreich gehörten zu den Auftraggebern.

Zum Kundenstamm zählten aber auch kleine und mittlere Unternehmen, etwa ein österreichischer Hersteller von traditionellen Holzschuhen. Ein Familienbetrieb, bis heute. Gemäss den Aussagen des damaligen Inhabers Anton Devich gäbe es diesen Betrieb heute ohne den Einsatz von Robotertechnologie wohl nicht mehr. Lange wurden die Holzschuhe in reiner Handarbeit hergestellt, eine anspruchsvolle, anstrengende und aufgrund des Holzstaubs durchaus auch gesundheitsgefährdende Arbeit. Mit der Zeit fand der Betrieb nicht mehr die nötigen Fachkräfte, sodass der Einsatz eines Roboters für die Bearbeitung, insbesondere das Schleifen, unumgänglich wurde. Mit der Robotertechnologie, ist Bachmann deshalb überzeugt, würden nicht Arbeitsplätze vernichtet, sondern im Gegenteil erhalten oder sogar neu geschaffen. «Zusammen mit meinem Team habe ich viele Betriebe im In- und Ausland betreut, die heute über mehr Arbeitsplätze verfügen als vor 10, 15 Jahren.» Der Einsatz von Robotern würde deshalb eher Job-Profile verändern – hin zu Überwachungsaufgaben oder Tätigkeiten, die digitales Know-how erfordern.

BFH nach wie vor führend

Nicht nur weil dieses digitale Know-how bei jüngeren Generationen nach wie vor laufend grösser wird, ist das Potenzial für den Einsatz der Robotertechnologie in der Holzbranche noch lange nicht ausgeschöpft. Zwei Trends zeichnen sich ab. Zum einen verspricht man sich viel von mobilen Robotern, die flexibel einsetzbar und deshalb noch wirtschaftlicher sind. Zum andern werden kollaborative Modelle entwickelt, das heisst Roboter, die unter Einhaltung aller Sicherheitsstandards mit Menschen direkt zusammenarbeiten.

Die BFH ist mit mehreren Forschungsprojekten an der Weiterentwicklung der Robotertechnologie in der Holzbranche beteiligt und gehört diesbezüglich in der Schweiz nach wie vor zu den führenden Hochschulen – also genau wie vor rund 25 Jahren, als Eduard Bachmann und seine Kollegen noch Exoten in der Branche waren.

Eduard Bachmann
Leiter Kompetenzbereich Digitale Fertigung, BFH