
Sicherheit vor Naturgefahren
Lawinenverbauungen, die im Sommer vor Steinschlag schützen, ein Handbuch für zukünftige Revitalisierungen von Fliessgewässern, Murgänge im Modellversuch – im Massstab 1:30 –, die zukünftige Entwicklungen vorwegnehmen sollen. Dies sind Beispiele für Projekte, im Rahmen derer sich Forscher*innen des Instituts für Siedlungsentwicklung und Infrastruktur ISI der Berner Fachhochschulen BFH konkret mit den Themen Sicherheit und Risiko befassen.
Risiken eindämmen und Sicherheit ausbauen – darauf zielen die Tätigkeiten der Fachleute des Forschungsinstituts ISI der BFH ab. Im Kompetenzbereich Geotechnik und Naturereignisse zum Beispiel erarbeiten die Forscher*innen neue Lösungen in den Bereichen Geotechnik und Spezialtiefbau. Auch die Förderung des Gewässerschutzes sowie die Erhöhung der Sicherheit vor Naturgefahren stehen im Zentrum der Forschungstätigkeiten. Diese haben immer zum Ziel, einen Beitrag zu Nachhaltigkeit, Sicherheit und Lebensqualität in ländlichen und urbanen Gebieten zu leisten.
Als Folge des Klimawandels häufen sich Extremereignisse in der Natur, weltweit und in der Schweiz. Gerade die beiden Sommer 2021 und 2022 illustrieren dies. Der eine war geprägt von (zu) kühlen Temperaturen, Hagelschlag, heftigen Niederschlägen und damit verbunden massivem Hochwasser und Überschwemmungen. Der andere von starker, langanhaltender Hitze, extremer Trockenheit und regional starken Hagelunwettern.
Solche Extreme sind schlecht für Umwelt und Mensch. Letztes Jahr waren Ernteausfälle die Folge von Hagelschlag und zu viel Wasser. Diesen Sommer sorgten ausgetrocknete Bach- und Flussbette sowie zu warmes Wasser zum Beispiel für Fischsterben und lokale Wasserknappheit.
Das vermehrte Auftreten dieser Ereignisse ist zum einen Folge der Klimaveränderung, zusätzlich verstärken Eingriffe durch den Menschen diese Entwicklung.
Dass Wasser – verursacht durch heftige Regenfälle – nicht im Boden versickern kann, dafür ist nicht nur Trockenheit verantwortlich. Viele Böden sind drainiert und durch schwere Maschinen verdichtet, und die Landschaft in der Schweiz ist dicht besiedelt beziehungsweise verbaut, sodass das Wasser zu schnell abfliesst. Dadurch werden die Hochwasserspitzen und -mengen extremer, während in Trockenzeiten das Wasser fehlt.
Zur Verbesserung der Situation gilt es also einerseits, dem Klimawandel entgegenzuwirken, andererseits wird daran gearbeitet, die vom Menschen veränderten Systeme in ihren ursprünglichen beziehungsweise natürlichen Zustand zurückzuversetzen, zum Beispiel Bach- und Flussläufe und Wege. Hierfür ist ein ganzheitlicher Blick auf die natürlichen Systeme wichtig.

Aktuelle und abgeschlossene Projekte und Dienstleistungen aus dem Kompetenzbereich Geotechnik und Naturereignisse illustrieren dies:
Gesunde Fliessgewässer
Die Revitalisierung von Fliessgewässern erhöht deren Widerstands- und Anpassungsfähigkeit gegenüber Belastungen wie Hitze oder Trockenheit, die der Klimawandel mit sich bringt. Die Erfolgschancen einer Revitalisierung wiederum werden je nach Gewässer durch bauliche Strukturmassnahmen und Bepflanzungen deutlich verbessert. Der aktuelle Wissensstand über diese Massnahmen wird im Projekt «Grüner Wasserbau» zusammengefasst, daraus entsteht ein Handbuch für zukünftige Revitalisierungen.
Mini-Murgänge im Modellbau
An einem realitätsgetreuen Modell im Massstab 1:30 untersuchten Forschende die Auswirkungen eines Murgangs im Rotenfluegraben im Oberemmental. Das Resultat der Versuche war erfreulich: Die Gefährdung für Mensch, Gebäude und Infrastruktur wird als «gering» eingestuft, selbst bei einem Extremereignis. Somit sind keine baulichen Flächenschutzmassnahmen nötig.

BFH erweitert ihre Kompetenzen
Die Versuche am eigens gebauten Modell waren die ersten ihrer Art, die an der BFH durchgeführt wurden. So konnten die Forschenden ihr Know-how und ihre Kompetenzen durch das Projekt zusätzlich erweitern und bieten Versuche an Modellbauten auch in Zukunft als Dienstleistung im Bereich Flussbau und Naturgefahren an. Am Modell kann nicht nur untersucht werden, wie sich Murgänge verschiedener Grössen verhalten. Es kann auch die Wirksamkeit von Schutzmassnahmen überprüft werden, indem diese direkt im Modell umgesetzt werden. Dazu gehört der Einbau von Murgangsperren oder die Anpassung des Geländes, sodass der Murgang ausbricht und dadurch an Kraft verliert. Im Gegensatz zu einer reinen Simulation am Computer lässt sich an einem physikalischen Modell genauer sagen, was welchen Einfluss auf den Murgang hat. Deswegen lohnt sich der Mehraufwand des Modellbaus.
Stahlschneebrücken gegen Steinschläge
Durch den Klimawandel steigt das Steinschlagrisiko in Lawinengebieten. Um Lawinenverbauungen zu sichern, wurde eine steinschlagresistente Stahlschneebrücke entwickelt. Diese kommt in den obersten Werkreihen unterhalb von steinschlaggefährdeten Felspartien zum Einsatz und schützt die unteren Werkreihen. Das Tragwerk der Stahlschneebrücke wurde mit Federdämpfungselementen ertüchtigt. Diese reduzieren den dynamischen Spitzendruck und erlauben eine schadenfreie Aufnahme des Steinschlags.
Beurteilungsstelle für Steinschlagschutznetze
Im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU ist die BFH verantwortlich für die fachliche Prüfung der von Herstellern neu entwickelten Produkte im Bereich Steinschlagschutznetze und deren Fundationen. Die zuständigen Expert*innen prüfen die Produkte hinsichtlich der Anforderungen des BAFU. Eine weitere Aufgabe ist die Erarbeitung einer Datenbank über die Produktbeschreibungen. Die Beurteilungsstelle für Steinschlagschutznetze wird im Auftrag der Expertenkommission Lawinen und Steinschlag (EKLS) des BAFU eingesetzt.
CAS Schutz vor Naturgefahren
Ein integraler Schutz von Siedlungen und Infrastruktur vor Naturgefahren erfordert Fachleute mit fundierten Kompetenzen. Die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten können Sie im CAS Schutz vor Naturgefahren erwerben. In diesem Studiengang vertiefen die Teilnehmer*innen die Grundlagen zu den relevanten Naturgefahren der Schweiz, beschäftigen sich mit dem integralen Risikomanagement, lernen spezifische Schutzmassnahmen für die verschiedenen Naturgefahren kennen, profitieren von interaktiven Unterrichtseinheiten, praktischer Geländearbeit sowie Exkursionen und führen einen Dialog mit Personen verschiedener Fachrichtungen beziehungsweise Berufe.
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