
Stabiles Netz dank dezentralen Batteriespeichern
Die Anzahl an Photovoltaikanlagen mit Batteriespeicher nimmt stetig zu. Mit modernen Betriebsstrategien könnten diese Anlagen nicht nur den Eigenverbrauch von selbst produziertem Strom erhöhen, sondern auch zur Netzstabilität beitragen. Forschende der Berner Fachhochschule BFH haben über Simulationen den potenziellen Nutzen für das Verteilnetz untersucht.
Netzdienliche Batteriespeicher
Durch den Zubau dezentraler Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen), die weitere Elektrifizierung der Wärmeversorgung und die aufkommende Elektromobilität werden grosse Herausforderungen auf die Stromnetze im Allgemeinen und auf die Verteilnetze im Speziellen zukommen. Damit in Zukunft keine Überlastungen von Betriebsmitteln auftreten, muss das Stromnetz an die künftigen Anforderungen angepasst werden. Für die Auslegung der Verteilnetze und die Dimensionierung der Betriebsmittel sind besonders die Leistungsspitzen – sowohl bei Einspeisung als auch bei Bezug – relevant. Kundenseitige, dezentrale Batteriespeicher könnten aktiv zur Versorgungssicherheit beitragen, indem sie die lokalen Leistungsspitzen brechen und damit Leitungen und Transformatoren entlasten.
Aktuell werden die Speicher vor allem für den Eigenverbrauch betrieben. Anreize, um mit einem Batteriespeicher einen aktiven Beitrag zur Netzstabilität zu leisten – ihn also netzdienlich zu betreiben –, existieren für Privathaushalte nicht. Verteilnetzbetreiber (VNB) sind zunehmend an einem netzdienlichen Betrieb interessiert, können jedoch schwer einschätzen, welchen Wert diese Betriebsstrategie für ihr Netz generieren würde.
Im Rahmen des Projekts «BAT4SG» haben BFH und Wirtschaft dies genauer untersucht. Projektpartner waren die Verteilnetzbetreiber Groupe E und WWZ sowie der Branchenverband Swissolar. Forschungspartner war das BFH-Zentrum Energiespeicherung (Abbildung 1). Das vom Bundesamt für Energie BFE unterstützte Projekt hat den potenziellen technischen Nutzen des netzdienlichen Betriebs dezentraler Kundenbatteriespeicher für das Verteilnetz quantifiziert. In einem zweiten Schritt wurde der finanzielle Nutzen für das Verteilnetz untersucht, der durch einen netzdienlichen Betrieb entsteht. So wurde ein finanzieller Wert für den Verteilnetzbetreiber ermittelt, mit dem die Flexibilitätsanbieter vergütet werden könnten.
Simulation der Szenarien 2020 und 2035
Um den technischen Nutzen verschiedener Betriebsarten von dezentralen Batteriespeichern für das Verteilnetz quantifizieren zu können, wurden drei Niederspannungsnetze mit der Netzsimulationssoftware Power Factory detailliert modelliert – ein städtisches, ein vorstädtisches und ein ländliches Verteilnetz. Es wurden sowohl Modellierungen der Netze für die Ist-Situation (Jahr 2020) als auch für das Jahr 2035 vorgenommen. Für 2035 wurden Entwicklungsperspektiven miteinbezogen – für den Zubau von PV-Anlagen, die E-Mobilität und die Ladesäulenleistung, den Stromverbrauch und die Entwicklung der stationären Batteriespeicher.
Abbildung 2 zeigt die für das Jahr 2035 getroffenen Annahmen für die Leistungswerte des Haushaltsverbrauchs, der Elektrofahrzeuge und der PV-Anlagen im vorstädtischen Netz. Es fällt auf, dass im Verhältnis zur PV-Produktion (graue und gelbe Fläche) lediglich eine kleine Speicherkapazität (Rechteck) für einen netzdienlichen Betrieb zur Verfügung steht.

Wert der netzdienlichen Batteriespeicher
Der technische Wert der netzdienlich betriebenen Batteriespeicher im Verteilnetz ist sehr punktuell und lokal stark unterschiedlich. Je inhomogener die Verteilnetzstruktur ist, desto relevanter sind einzelne Batteriespeicher an relevanten Standorten.
Indem die Simulationsergebnisse für 2035 extrapoliert wurden, konnte abgeschätzt werden, um wie viele Jahre Überlastungen von Leitungen und Transformatoren aufgrund des netzdienlichen Betriebs verzögert werden können. Auf Basis der erzielten Verzögerungen und der Installationskosten für die betroffenen Betriebselemente wurde der finanzielle Nutzen quantifiziert.
Abbildung 3 fasst den technischen und finanziellen Nutzen der Batterien mit einem netzdienlichen Algorithmus zusammen. Sie zeigt, für wie viele Betriebsmittel Verzögerungen von Überlastungen im Durchschnitt im Jahr 2035 bzw. über den gesamten Zeitraum von 2020 bis 2045 erreicht werden könnten. Im vorstädtischen und städtischen Netz würden die Überlastungen im Durchschnitt um vier bis sechs Jahre verzögert. Für das ländliche Netz wäre der Effekt gering, da der starke Ausbau der Photovoltaik dazu führen würde, dass die Betriebsmittel ohne Massnahmen im Netz besonders schnell und stark überlastet würden.
Gemäss der Branchenempfehlung «Kostenrechnungsschema für Verteilnetzbetreiber der Schweiz» des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) [1] wird für Trafostationen eine kalkulatorische Abschreibungsdauer von 35 Jahren, für Leitungen von 40 Jahren, zugrunde gelegt. Für diese Abschreibungsdauer wurde der finanzielle Wert berechnet. Ein Betriebsmittel kann aber aus technischer Sicht oft über die Abschreibungsdauer hinaus betrieben werden. Daher wurde der finanzielle Wert der Verzögerungen von Netzverstärkungen ebenfalls für eine technische Lebensdauer der Betriebsmittel von 50 Jahren berechnet.

Die technische Lebensdauer von Leitungen und Transformatoren ist hoch, die Kosten relativ gering. So fällt der finanzielle Wert der Verzögerung von Netzverstärkungen durch Netzdienlichkeit gering aus. Würde dieser im Verteilnetz erzielte Wert den Batteriebesitzer*innen rückvergütet werden, könnte der netzdienliche Betrieb eines Batteriespeichers mit 10 kWh Energie-Inhalt mit einer einmaligen Bezuschussung von ca. 100 bis 200 CHF angereizt werden.
Die Verteilnetzbetreiberin Groupe E ist mit der Idee ins Projekt gestartet, dass sie mit einer finanziellen Vergütung Batteriebesitzer*innen zu einer netzdienlichen Betriebsart motivieren könnte. Die Resultate des Projekts zeigen aber, dass dies unter den getroffenen Annahmen nicht möglich ist, weil der vertretbare finanzielle Anreiz im Vergleich zu den Kosten einer Batterie zu tief wäre. Groupe E ist aber weiterhin überzeugt, dass sich stationäre Batteriespeicher und Batterien in Elektroautos in den kommenden Jahren stark verbreiten werden und dass Speicher eine wertvolle Optimierung im Stromsystem ermöglichen könnten. Deshalb wird Groupe E in einem nächsten Schritt prüfen, ob ein netzdienliches Verhalten solcher Batterien über stündlich variable Tarife zu erreichen wäre.
Co-Autor: Steffen Wienands, ehemaliger stv. Projektleiter Prosumer-Lab, BFH
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