Starke Batterien für die nachhaltige Mobilität

Festkörperbatterien speichern deutlich mehr Energie als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien. Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts entwickeln die BFH und ihre Partner Fertigungstechnologien für die Batterie der nächsten Generation.

Erst Lithium-Ionen-Batterien haben vielen mobilen elektrischen Maschinen und Geräten zum Durchbruch verholfen. Dank ihnen können Handys ohne Nachladen stundenlang intensiv genutzt werden und schaffen E-Autos ohne «Tankstopp» Strecken von 400 Kilometern oder mehr. Nach Jahren mit ständigen Fortschritten stossen Lithium-Ionen-Batterien nun aber allmählich an ihre Grenzen, was ihre Energiedichte anbelangt. Möglich sind allenfalls noch Steigerungen von rund 10 Prozent. Insbesondere die Automobilindustrie arbeitet deshalb intensiv an der Entwicklung neuer Batterien mit mehr Speicherkapazität. Damit liesse sich die Reichweite von E-Fahrzeugen ohne zusätzliches Batteriegewicht deutlich erhöhen. Oder das Batteriegewicht könnte ohne Abstriche bei der Reichweite stark reduziert werden.

Ein vielversprechendes Konzept sind Festkörperbatterien. Sie speichern elektrische Energie nach dem gleichen Prinzip wie Lithium-Ionen-Batterien. Allerdings wird als aktives Anodenmaterial nicht Grafit verwendet, sondern Lithium in metallischer Form. Dieses ist sehr leicht und hat eine deutlich höhere Speicherkapazität. Eine weitere Änderung betrifft den Elektrolyten, der den Ionentransfer zwischen Kathode und Anode ermöglicht. Anstatt einer Flüssigkeit sollen nun Festkörperelektrolyten zum Einsatz kommen, zum Beispiel solche auf der Basis von Polymeren. Sie haben gegenüber flüssigen Elektrolyten den Vorteil, dass sie nicht so leicht brennbar sind. Zudem verhindert der Festkörper die Auskristallisation von Metalloxiden (Dendriten) auf der Anode. Diese können im schlimmsten Fall einen Kurzschluss in der Batteriezelle verursachen.

Insgesamt vorteilhaft für die Umwelt

Eine Autobatterie mit Festkörper-Batteriezellen kann gegenüber heutigen Lithium-Ionen-Batterien etwa 30 Prozent mehr Energie speichern. Der Verzicht auf Grafit wirkt sich positiv auf die Umweltbilanz aus. Eine Herausforderung ist der Umgang mit metallischem Lithium, das sehr reaktiv ist und zum Beispiel bei Kontakt mit Wasser in Brand gerät. Diese Eigenschaft könnte die Rückgewinnung der Materialien aus ausgedienten Festkörperbatterien dereinst erschweren. Dennoch werden Festkörperbatterien insgesamt umweltverträglicher sein als solche mit flüssigen Elektrolyten.

Eine Massenfertigung von Festkörperbatterien gibt es noch nicht. Im Rahmen des Projekts «SOLiD» (siehe Kasten) wollen 14 Partner aus 9 europäischen Ländern nun in den kommenden vier Jahren die Entwicklung vorantreiben. Das Ziel ist ein nachhaltiges und kosteneffizientes Herstellungsverfahren einer Festkörper-Lithium-Metall-Batterie, die sich nach Ablauf ihrer Lebensdauer sicher und leicht recyceln lässt. Die beteiligten Institutionen und Unternehmen decken dabei die ganze Wertschöpfungskette von der Herstellung bis zum Recycling der Batterie ab. Die BFH ist mit dem Institut für Intelligente Industrielle Systeme I3S am Projekt «SOLiD» beteiligt.

Kleinste Verunreinigungen erkennen

Die Forschenden der BFH haben die Aufgabe, den Ressourcenverschleiss im Herstellungsverfahren zu minimieren. Elektroden (Kathoden und Anoden) werden als langes Band gefertigt, das in Stücke der erforderlichen Grösse zurechtgeschnitten wird. Im Gegensatz zur heute üblichen Nassbeschichtung der Elektroden soll bei der Herstellung der Festkörperbatterie ein Trockenbeschichtungsverfahren angewendet werden. Dadurch werden gewisse Verfahrensschritte vereinfacht und die nachträgliche energieintensive Trocknung der Elektroden entfällt. Bei der Trockenbeschichtung und beim Zuschneiden können aber unerwünschte Materialpartikel auf die Elektroden gelangen und diese verunreinigen. Das kann später einen Kurzschluss verursachen und eine Batteriezelle zerstören. Durch kleinste Produktionsfehler wird so unter Umständen viel wertvolles Material verschwendet. Dies liesse sich verhindern, wenn man die fehlerhaften Elektroden erkennen und aussortieren könnte, bevor sie in einer Batteriezelle verbaut werden.

Um die problematischen Partikel auf den Elektroden zu erkennen, setzen die Forschenden der BFH auf ein optisches Verfahren mit Kameras und speziellem Licht, das Fremdkörper sichtbar macht. Zudem ist eine Software erforderlich, welche die Bilder auswertet und die Beseitigung der verunreinigten Elektroden steuert. Derzeit wird noch evaluiert, welche Hardware-Komponenten (Kamera, Lichtquellen) am besten geeignet sind. Später sollen in der Pilot-Batteriefertigungsanlage der BFH in Burgdorf Festkörperbatterie-Prototypen gebaut und die einzelnen Produktionsschritte getestet werden. Im letzten Schritt kommt das von der BFH entwickelte Verfahren dann in der «SOLiD»-Pilotanlage in Finnland zum Einsatz – zusammen mit den Entwicklungen der 13 anderen Partner des Projekts. Die neuen Technologien werden danach für die Herstellung von Festkörperbatterien im industriellen Massstab zur Verfügung stehen.

Schweizer Know-how für EU-Forschung

Bei «SOLiD» handelt es sich um ein Projekt des Forschungs- und Innovationsförderungsprogramms Horizon Europe der Europäischen Union (EU). Weil die Schweiz nicht mehr Vollmitglied des Horizon-Programms ist, wird die Arbeit der BFH nicht von der EU finanziert, sondern im Rahmen von bundesrätlich genehmigten Übergangsmassnahmen durch die Eidgenossenschaft bzw. durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Die BFH ist bereits am Horizon-2020-Projekt «HIDDEN» beteiligt, dessen Ziel die Entwicklung von Lithium-Metall-Batterien mit hoher Speicherkapazität und längerer Lebensdauer ist. Die im Rahmen von «HIDDEN» geknüpften Kontakte mit europäischen Forschungspartnern haben zweifellos dazu beigetragen, dass die BFH nun auch beim Projekt «SOLiD» ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Batteriefertigung einbringen kann.

Michael Stalder
Institut für Intelligende Industrielle Systeme I3S, BFH