
«Süchtig nach dem Lösen von Problemen – und dem Erfüllen von Träumen»
Christian Hirsig ist Gründer mehrerer Start-ups wie Atizo und Powercoders. Im Interview gibt er Auskunft über seine Motivation als Vollblut-Unternehmer und seine Vorstellungen von New Work.

Herr Hirsig, Sie haben bereits mehrere erfolgreiche Start-ups gegründet. Was treibt Sie immer wieder an, neue Unternehmen zu starten?
Es geht mir nicht ums Gründen von Unternehmen. Ich bin süchtig nach dem Lösen von Problemen und dem Erfüllen von Träumen. Oft ist die Unternehmensgründung ein logischer Schritt auf dem Weg dorthin. Ausserdem ist es mir wichtig, ein paar Worte zum Thema Erfolg zu verlieren. Ich glaube, es gibt keinen objektivierbaren Erfolg. Erfolg ist immer subjektiv. Was vielleicht gegen aussen wie ein grosser Erfolg aussieht, ist in Wahrheit eine äusserst tragische Geschichte. So beispielsweise der «Erfolg» von Roy Raymond, dem Gründer von Victoria’s Secret, der sein Unternehmen für eine Million US-Dollar verkaufte. Vermutlich konnte er aber den kometenhaften Aufstieg, den das Unternehmen nach seinem Abgang erlebte, nicht ertragen und nahm sich mit einem Sprung von der Golden Gate Bridge schliesslich das Leben. Wir sollten vorsichtig mit der Beurteilung unternehmerischer Projekte sein, da wir damit nur den Druck auf aktive und potenzielle Unternehmer*innen erhöhen.
Welche Chancen bieten der digitale Wandel und neue Technologien gerade Start-ups wie Atizo und Powercoders?
Wandel bringt grundsätzlich viele Chancen mit sich. Je disruptiver der Wandel, desto grösser die Chancen. Der digitale Wandel und die damit verbundenen Technologien senken beispielsweise massiv die Produktionskosten. Mit anderen Worten ist es im digitalen Zeitalter viel einfacher, ambitionierte Projekte zu starten, da die Investitionskosten besonders bei der Lancierung in den meisten Industrien einen Bruchteil dessen betragen, was sie vor 30 Jahren betrugen.
Für Atizo, eine Brainstorming-Plattform, war das Internet ein kostengünstiges Werkzeug, um mehrere Hundert kreative Denker*innen zusammenzubringen und Ideen zu generieren. Hätte dieser Prozess physisch stattfinden müssen, hätte man grosse Hallen angemietet, Reisespesen abgerechnet und anstelle von Software-Entwickler*innen dutzende Grossgruppen-Moderator*innen auf der Lohnliste gehabt.
Bei Powercoders ist der digitale Wandel die Eintrittskarte für benachteiligte Menschen in eine Branche, die sich nicht um Diplome schert. Aufgrund des extremen Fachkräftemangels sind der Industrie jegliche Jungbrunnen mit Talenten recht. Uns gibt es die Möglichkeit, Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund während dreizehn Wochen auf einen sechs- bis zwölfmonatigen Praktikumseinsatz vorzubereiten und drei von fünf erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Wie führen Sie Ihre Unternehmen?
Ich arbeite am liebsten in kleinen Teams, in denen jedes Teammitglied möglichst viel Eigenverantwortung übernimmt.
Wie wichtig sind für Sie Werte wie sinnstiftende Arbeit, Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentfaltung – also Ideale, die man mit New Work in Verbindung bringt?
Sehr wichtig. Ich glaube, sie sind der Motiviationsmotor der nächsten Generation.
Welche Rolle spielen Fördergelder auf dem Weg zu einem nachhaltigen Start-up?
Sie spielen eine wichtige Rolle, besonders für Projekte mit höheren Investitionskosten. Oft hat es in einem Frühstadium noch keinen Sinn, sein Unternehmen zu bewerten und von Investoren Geld anzunehmen. Genau in diese Lücke springt die Stiftung für technologische Innovation STI.
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