Systematisch von der ersten Idee zum erfolgreichen Unternehmen

Um an einer Hochschule mit verschiedenen Akteur*innen, Interessen und Regelungen ein gemeinsames Verständnis zu erreichen, sind Rahmenmodelle hilfreich. Mit dem Startup Lifecycle ist ein solches nun für die Berner Fachhochschule BFH nutzbar, um die Mittel und Kräfte wirksamer einzusetzen.

Ziel ist es, unternehmerisches Denken und Handeln in Studiengängen zu fördern und somit den Nährboden für Kreativität, Persönlichkeitsentwicklung und innovative Projekte zu schaffen. Dies soll gleichzeitig einen Mehrwert für den Kanton Bern und den Wirtschaftsstandort Schweiz erzeugen, zum Beispiel in Form von zusätzlichen Arbeitsplätzen, neuen Produkten und Technologien sowie genereller Wertschöpfung im Inland. Der Startup Lifecycle dient als Blaupause für ein effektives Unterstützungssystem, um eine durchgängige Förderung von Studierenden auf Bachelor- und Masterstufe, Mitarbeitenden und Start-ups zu ermöglichen. Aus Gründen der Einfachheit setzen wir in diesem Artikel die Begriffe Unternehmertum und Entrepreneurship gleich.

Vom unternehmerischen Denken zum unternehmerischen Handeln

Der generische Startup Lifecycle beginnt mit einem ersten Kontakt mit dem Thema Entrepreneurship und führt bis zu den Herausforderungen eines wachsenden Unternehmens. Die Phasen werden nicht streng linear durchlaufen, sondern es können sich Tätigkeiten überschneiden oder zeitlich anders angeordnet sein. Die Phase der Invention, das heisst der Erarbeitung einer Neuerung bzw. der eigentlichen Erfindung, wird in unserem Modell aktuell ausgeklammert, da diese Inventionsprozesse zwischen den Studiengängen und Professionen sehr verschieden sind. Die sechs Phasen des Lifecycle werden im Folgenden kurz erklärt (Abbildung 1):

  1. Unternehmerisches Gen aktivieren: In dieser Phase kommen Personen ein erstes Mal in Kontakt mit dem Thema Unternehmertum. Meist lassen sie sich dabei von Vorbildern inspirieren. Durch relativ einfache Techniken und Methoden ist es möglich, prägende Einsichten in Entrepreneurship zu erhalten. Auch Vernetzungsanlässe mit Start-up-Unternehmer*innen sind dafür sehr gut geeignet. Ausschlaggebend sind meist kurze, aber für die Teilnehmenden bedeutungsvolle Begegnungen.
  2. Idee erzeugen und validieren: Am Anfang jedes Unternehmens steht eine Geschäftsidee. Es gilt, diese Idee zu analysieren und zu bewerten, erste Prototypen zu erstellen und diese mit potenziellen Marktkund*innen zu validieren und weiterzuentwickeln.
  3. Konzept zum eigenen Unternehmen aufbauen: Jungunternehmer*innen konzipieren die wichtigsten Punkte, um aus den Ideen ein valables Geschäftsmodell zu entwickeln. Im Rahmen von Marktanalysen werden auch zumutbare Kosten und absehbare Umsätze eruiert sowie die verschiedenen Mechaniken des Geschäftsmodells identifiziert und aufeinander abgestimmt.
  4. Lebensfähiges Angebot erstellen: Damit ein lebensfähiges Angebot etabliert werden kann, müssen ein solider Finanzplan erstellt, eine Markt- und Wettbewerbsstrategie definiert sowie rechtliche Abklärungen zum geistigen Eigentum vorgenommen werden.
  5. Start-up als Organisation verstetigen: Die Verstetigung und Stabilisierung von schwachen und teils noch labilen Strukturen, die in der initialen Start-up-Phase normal («cool») sind, gilt es voranzubringen. Die Glaubwürdigkeit der Organisation und die Wahrscheinlichkeit von Finanzierungen wächst, wenn sich ein ausbalanciertes und schlagkräftiges Team hinter die validierte Geschäftsidee stellt. In dieser Phase stehen auch erste Verkäufe und Umsätze sowie die Gründung des Unternehmens im Zentrum.
  6. Unternehmen wachsen lassen: Nach erfolgreicher Lancierung der Angebote im Markt gilt es, das Start-up weiter zu etablieren, wenn möglich international zu skalieren sowie Wertschöpfungsketten zu optimieren.

Der Startup Lifecycle berücksichtigt Studierende, Mitarbeitende, Forschende und Start-ups. Er motiviert zu neuen Initiativen, bekräftigt bestehende Ideen oder führt schnell vor Augen, ob eine Idee tatsächlich marktfähig ist. Der Übergang vom unternehmerischen Denken zum unternehmerischen Handeln muss Schritt für Schritt erfolgen, um Personen an die existierenden Realitäten heranzuführen. So richtet sich der Fokus in den ersten drei Phasen stärker auf Grundlagenwissen und Methoden. Die folgenden drei Phasen sind praxisbezogener, da die Anwendung und Sammlung von Erfahrungen durch eigene Geschäftsideen und das eigene Start-up erfolgen.

Ausgestaltung der Angebote

Das Rahmenmodell Startup Lifecycle ist ein Werkzeug für einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess, um bestehende Angebote zum unternehmerischen Denken und Handeln sowohl auf Ebene der BFH als auch auf Ebene der Departemente zu reflektieren und neue Angebote bedarfsorientiert zu entwickeln. Abbildung 2 zeigt die Angebote des Departements Technik und Informatik BFH-TI Stand Januar 2021.

Um das Interesse am Thema Entrepreneurship zu wecken, organisiert das Departement BFH-TI regelmässig Events wie die Start-up-Lunches, die potenziellen Jungunternehmer*innen Vorbilder zeigen und die Vernetzung unter den Interessierten fördern. So berichtete beim Start-up-Lunch vom 21. Januar 2021 Julian Liniger, Gründer der Bitcoin Trading App Relai, über seine ersten Schritte und Hürden auf dem Weg ins Unternehmertum.

Später werden solche Events mit Unterrichtsmodulen ergänzt, in denen Studierende Methodenkompetenzen aufbauen und erste Geschäftsideen und eigene Konzepte entwickeln können. In weiteren Phasen unterstützt das Departement Schritte in die Selbstständigkeit mit individuelleren Angeboten, sei es bei Fragen zum geistigen Eigentum oder zur Marktkommunikation. Viele der Angebote bestehen bereits seit Jahren, werden aber den aktuellen Bedürfnissen gemäss angepasst.

Start-ups der BFH-TI haben die Möglichkeit, in einer frühen Phase ihres Unternehmens Büroräumlichkeiten der Hochschule zu nutzen. Die Konditionen sind für junge Unternehmen attraktiv, werden aber im Verlauf des Mietverhältnisses von Jahr zu Jahr strenger. Mit diesem Angebot sollen junge Unternehmen finanziell entlastet werden, aber auch die Nähe zur BFH weiter aufrechterhalten können. Auch beim geistigen Eigentum verfolgt das Departement eine unternehmerfreundliche Strategie, um für die Start-ups die bestmögliche Lösung zu finden.

Der Startup Lifecycle vereinfacht es der Berner Fachhochschule, Projekte und Fortschritte einzuordnen, zielgerichtete Unterstützung anzubieten und das Angebot kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Infos

Dr. Stefan Grösser
Professor für Strategisches Management und Business Analytics, Leiter Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen, BFH
Yacine Bouazdia
Experte Entrepreneurship, BFH