
Tausende Schnellzugdurchfahrten simulieren
Fluchttüren in Bahntunneln müssen jahrzehntelang zuverlässig funktionieren, damit die Sicherheit der Fahrgäste in Notfallsituationen gewährleistet ist. Mit ihren Prüfverfahren trägt die BFH dazu bei, dass die hohen Anforderungen erfüllt werden.
Wenn ein Hochgeschwindigkeitszug durch eine enge Tunnelröhre rast, entstehen Druck- und Sogwellen von gewaltiger Kraft. Bei jeder Durchfahrt wirkt sich diese Kraft auf die in regelmässigen Abständen eingebauten Fluchttüren aus. Trotz ihrer massiven Konstruktion werden die Türen während der Durchfahrt eines Zuges mehrere Male einige Millimeter nach aussen gedrückt und nach innen gezogen. Diese mechanische Beanspruchung der Türen kann an verschiedenen Elementen wie Schlössern, Schrauben oder Schweissnähten mit der Zeit Verschleisserscheinungen hervorrufen. Werden die stark beanspruchten Teile nicht rechtzeitig ersetzt oder repariert, sind Personen bei einem Ereignis einem grossen Risiko ausgesetzt. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die Fahrgäste bei einem Brand im giftigen Rauch vor einer Fluchttür stehen, die sich nicht öffnen lässt. Ebenso gefährlich könnte eine Tür sein, die sich nach der Flucht der Personen in den Schutzraum oder in die parallel verlaufende Tunnelröhre nicht mehr automatisch und luftdicht schliesst. Der Rauch würde die Menschen auch im vermeintlich sicheren Bereich einholen.
Hohe Anforderungen an die Prüfstelle
Bahnbetriebsgesellschaften stellen hohe Sicherheitsanforderungen an Tunneltüren. Die Hersteller müssen ihre Produkte einem strengen Prüfverfahren unterziehen und den Nachweis erbringen, dass ihre Türen über die ganze Lebensdauer absolut zuverlässig funktionieren. Nun handelt es sich bei Bahntunneltüren in der Regel nicht um Standardprodukte, sondern um Spezialanfertigungen für die spezifischen Anforderungen in einem bestimmten Tunnel. Daher gibt es keine allgemeine Norm für Tunneltüren, die sich in einem genau definierten Verfahren prüfen lässt. Vielmehr muss das Prüfverfahren jedes Mal den konkreten Vorgaben des Bestellers bezüglich des Brand- und Personenschutzes angepasst werden. Die Prüfstelle muss über ein breites Know-how aus verschiedenen Bereichen – etwa Mechanik, Konstruktion und Materialeigenschaften – verfügen. Nur so kann sie in enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller geeignete Prüfmethoden konzipieren. Deshalb sind nur wenige Firmen und Institutionen auf dem Feld der Prüfung von Tunneltüren tätig.
BFH-Gesellenstück Gotthard-Basistunnel
Zu ihnen gehört die BFH. In den letzten Jahren hat sie sich international einen ausgezeichneten Ruf als Prüfstelle für Tunneltüren erarbeitet. Das gelang ihr unter anderem mit der Evaluationsprüfung der Tunneltüren für den Gotthard-Basistunnel vor fast 20 Jahren. Keine andere Prüfstelle wollte sich diesen anspruchsvollen Herausforderungen stellen. Für die Prüfung mussten alle Anbieter ihre Türen unter 1:1-Verhältnissen in einen Versuchstunnel einbauen, um realistische Bedingungen zu simulieren. Nebst der Sog-Druck-Belastung wurden auch weitere wichtige Aspekte wie die Öffnungs- und Schliessfunktion, die Dichtigkeit und das Brandverhalten geprüft.
Ein führendes Unternehmen in der Branche ist die liechtensteinische Elkuch Group. Sie gehört seit 2020 zu den regelmässigen Kunden der akkreditierten BFH-Prüfstelle im Departement Architektur, Holz und Bau. Elkuch schätzt an der BFH insbesondere die Flexibilität und die kurzen Reaktionszeiten. Die Spezialistinnen und Spezialisten der BFH führen die Prüfungen beim Kunden durch, ohne dass sie ständig in dessen Werkstätten anwesend sein müssen. Dank Videostreaming haben sie die Prüfanlage immer im Blick und können die Einhaltung der festgelegten Prüfanordnung lückenlos überwachen. Auch die Messdaten stehen ihnen online zur Verfügung.

«Zugdurchfahrten» im Sekundentakt
Eine Prüfung dauert in der Regel drei bis vier Wochen, in denen die Türkonstruktion den Belastungen ausgesetzt wird, die sie während der jahrzehntelangen Betriebsdauer erfährt. In einem Prüfzyklus mit zum Beispiel einer Million Wechselbelastungen wird die Druck- und Sogwirkung von Tausenden durchfahrenden Zügen simuliert. Dazu wird die Tür inklusive Rahmen in ein luftdichtes Gehäuse verpackt. In dieses führen auf der «Tunnelseite» zwei Rohre. Abwechselnd wird durch das eine ein Druck von bis zu 10 kPa im Gehäuse aufgebaut, während das andere einen Sog mit der gleichen Kraft im Gehäuse erzeugt. Mithilfe einer Klappe wechselt die Anlage praktisch im Sekundentakt zwischen den beiden Zuständen Druck und Sog hin und her. In nur einer Minute wird so auf die Tür die Belastung von annähernd 60 Druck-Sog-Wellen ausgeübt. Sensoren messen dabei ständig die Kräfte, denen die Tür durch diese Wechsellast ausgesetzt ist.
Weniger rasant ist die Simulation von 10 000 manuellen Öffnungs- und automatischen Schliessvorgängen. Je nach Türsystem (Drehflügeltür, Schiebetür, Gliederschiebetür) unterscheidet sich dabei die Prüfanlage. Bei einer Drehflügeltür etwa – vom Prinzip her vergleichbar mit einer normalen Tür im Wohnbereich – betätigt die Prüfanlage den Öffnungsmechanismus und stösst den Türflügel in die geöffnete Position. Sobald ihr Druck auf die Tür nachlässt, wird der automatische Schliessmechanismus aktiviert. Der Vorgang wiederholt sich etwa drei Mal pro Minute.

Zerstörung in der Brandkammer
Der abschliessende Prüfungsbericht dokumentiert, wie die verschiedenen Elemente der Tür durch die Langzeitbelastung belastet werden. Aus diesen Informationen lassen sich die Service-Intervalle berechnen, welche die Bahnbetreiber zur Gewährleistung der Sicherheit ihrer Tunneltüren einhalten müssen. Nach der mechanischen Prüfung durch die BFH werden die Bahntunneltüren in der Regel noch auf ihren Brandwiderstand geprüft – was mit ihrer totalen Zerstörung endet. Diese Prüfung erfolgt meist durch das Schweizerische Institut für Prüfung, Inspektion und Zertifizierung (SIPIZ), mit dem die BFH eine enge Zusammenarbeit pflegt. Die BFH ist Mitglied des branchenübergreifenden Trägervereins des SIPIZ.
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