
Tüftler, Technikerinnen und Visionäre für die mobile Gesellschaft von morgen
Was in den 1980er-Jahren als Freizeitbeschäftigung einiger Dozierender begann, ist heute ein Spezialgebiet und Aushängeschild der BFH: die Entwicklung von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen für die nachhaltige Mobilität der Zukunft.
Um die Jahrtausendwende waren sich einige Dozierende der Berner Fachhochschule BFH sicher: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch, denn der Elektroantrieb ist bezüglich Wirkungsgrad gegenüber dem Verbrennungsmotor klar im Vorteil. Konsequenterweise wurde das Thema Elektromobilität im Unterricht eingeführt – anfangs noch nicht als Bestandteil des offiziellen Studienplans, aber mit grossem Erfolg bei den Studierenden. Heute gehört es zu den Schwerpunkten der Ausbildung in den Abteilungen Automobil- und Fahrzeugtechnik sowie Elektrotechnik und Informationstechnologie. Forschungsschwerpunkte des gemeinsamen Instituts für Energie- und Mobilitätsforschung drehen sich zudem um Fragen, die für eine erfolgreiche Ablösung des klassischen Verbrennungsmotors durch einen energieeffizienten und nachhaltigen Antrieb beantwortet werden müssen.

Solarmobil-Pioniere aus Biel
Der gute Ruf der BFH auf diesem Gebiet geht auf die Zeit zurück, als Elektromobile aus Biel weltweit für Aufsehen sorgten. Mit der Ölkrise 1973 und dem «Waldsterben» in den 1980er-Jahren wurde offensichtlich, dass Erdöl begrenzt und seine Verbrennung umweltschädigend ist. 1985 rollte die erste Tour de Sol durch die Schweiz, um die Bevölkerung für die nachhaltige Mobilität zu sensibilisieren. Die Ingenieurschule Biel gewann das Rennen der Solarmobile bereits bei der zweiten Teilnahme 1986. Vater des Erfolgs war René Jeanneret, Dozent für Industrieelektronik. Seine ersten Versuche, Solarstrom möglichst effizient auf die Antriebsräder eines Autos zu übertragen, machte er weitgehend in der Freizeit.
Der neue Direktor Fredy Sidler erkannte die Bedeutung der Arbeit von Jeanneret und seinen Mitstreiter*innen in der Automobilabteilung. Die konnten sich nun vermehrt mit Unterstützung der Schule ihren Solarmobilprojekten widmen. Die Fortsetzung ist bekannt: Bei der ersten World Solar Challenge (WSC) quer durch Australien belegte das Solarfahrzeug Spirit of Biel-Bienne 1987 den dritten Platz hinter General Motors und Ford. Drei Jahre später folgte mit der Spirit II der Sieg vor dem Weltkonzern Honda und 1993 ein zweiter Rang hinter Honda. 2001 absolvierte das Team der BFH unter dem Namen Spirit of Bike die WSC auf einem Elektrovelo mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 66 km/h. Das Zweirad deutete das Potenzial von E-Bikes lange vor dem E-Bike-Boom an.
E-Mobilität wird alltagstauglich
Viele Studierende waren an der Entwicklung der Technologie beteiligt, die E-Mobile aus Biel erfolgreich machte. Ihre Namen tauchten später immer wieder in Zusammenhang mit innovativen Projekten auf. Zu diesen gehörten das erste serienmässig hergestellte Segelflugzeug mit Elektromotor oder der Solarkatamaran, der von 2010 bis 2012 die Welt umrundete. Ehemalige Studierende waren auch dabei, als die an der BFH entwickelten Konzepte in industrielle Anwendungen und Produkte implementiert wurden. Heute ist die E-Mobilität im Alltag angekommen: Im Dezember 2021 waren 33 Prozent der in der Schweiz verkauften Autos Steckerfahrzeuge, wobei die reinen Batterieelektrofahrzeuge rund 23 Prozent ausmachten – Tendenz steigend.
Solarmobile hatten die Ingenieurschule Biel bekannt gemacht. Mit der Gründung der Berner Fachhochschule BFH wurden die Kompetenzen auf dem Gebiet der E-Mobilität gestärkt. Die BFH verfügte mit ihren Instituten nun über geeignete Strukturen und Mittel für die Forschung. Gleichzeitig wurde der Wissens- und Technologietransfer stark ausgebaut. Die BFH wurde so zu einer Art Forschungsabteilung der Schweizer KMU. Vom Austausch profitiert die Wirtschaft genauso wie die Schule und die Studierenden.

Herausforderung Nachhaltigkeit
Die E-Mobilität muss sich heute nicht mehr an Solarmobilrennen in Australien beweisen. Jetzt geht es darum, ihre Wirtschaftlichkeit und ihre Umweltverträglichkeit zu optimieren. Daran arbeiten derzeit 7 Schweizer Forschungsinstitute und 24 Unternehmen im Forschungsprojekt «CircuBAT», das Teil der «Flagship Initiative» der Förderagentur Innosuisse ist. Unter der Gesamtleitung der BFH entwickeln sie Lösungen für eine bessere Ökobilanz der E-Mobilität. Gesucht wird ein Modell der Kreislaufwirtschaft für Lithium-Ionen-Batterien, die sich als Energiespeicher in der E-Mobilität durchgesetzt haben.
Die BFH befasst sich im Rahmen von «CircuBAT» mit der Entwicklung von datenbasierten Strategien und Technologien, um die Lebensdauer der Batterien in der ersten – der mobilen – Anwendung zu verlängern. Ein anderes Projekt verfolgt das Ziel, alle wertvollen Materialien beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien zurückzugewinnen. Weitere Projekte betreffen die Batterieherstellung, die Reparatur von Batterien, die Zweitnutzung von Fahrzeugbatterien als stationäre Energiespeicher und die Entwicklung von Geschäftsmodellen. Letztere sollen es ermöglichen, mit der Batterie, der Schlüsselkomponente der E-Mobilität, Geld zu verdienen, ohne die Umwelt zu belasten.
Die Zukunft hat bereits begonnen
Das Ziel, sich mit einem Minimum an Energie aus erneuerbaren Quellen fortzubewegen, rückt dank der Entwicklung der letzten Jahre näher. Womit werden sich Ingenieurinnen und Ingenieure danach beschäftigen? Das Projekt «Driving Next Level» liefert dazu einen Hinweis. Dabei arbeitet die BFH an der Vision des fahrerlosen Fahrzeugs. Ein solches ist derzeit auf dem DTC-Testgelände in Vauffelin in Erprobung. Schon bald könnte es im Rahmen eines Pilotversuchs als erstes Fahrzeug in der Schweiz ohne Fahrer an Bord auf öffentlichen Strassen unterwegs sein.

Vom Potenzial des automatisierten Fahrens erhoffen sich die Forschenden insbesondere eine effizientere Nutzung des Strassenraums und der Verkehrsmittel sowie eine Verbesserung der Verkehrssicherheit. Dazu ist es nötig, das Verkehrsgeschehen als Gesamtsystem zu erfassen und alle Verkehrsmittel zu vernetzen. Die dafür erforderliche Technik – etwa in den Bereichen Sensorik, Datenübertragung und -management – entwickeln Ingenieurinnen und Ingenieure. Die Ausbildung an der BFH passt sich den neuen Herausforderungen laufend an.
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