Wie viel CO2 verursacht ein Kilo Kaffee?

Wie sieht der CO2-Fussabdruck von Kaffee aus? Die Belém Café Rösterei aus Schüpfen wollte es genau wissen und kontaktierte deshalb die BFH. In seiner Bachelorarbeit im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen und Business Engineering erstellte Tobias Vogt daraufhin eine Lebenszyklusanalyse: Bei der Kaffeesorte «Brasil» sind es 4,34 kg CO2 pro Kilogramm Kaffee.

«Wir wollen vollumfänglich CO2-neutral sein», erklärt Jürg Bircher, Inhaber der Belém Café Rösterei aus Schüpfen. «Also versuchen wir, den Energieverbrauch so gering wie möglich zu halten und dort, wo es nicht anders möglich ist, zu kompensieren.» Doch dafür musste das Unternehmen erst den genauen Treibhausgasausstoss pro Kilogramm Kaffee kennen. «Niemand konnte uns eine genaue Zahl nennen – also sind wir mit dieser Frage auf die BFH zugegangen», blickt Bircher zurück. Er und sein Team rösten in Schüpfen seit 28 Jahren Kaffee: Mit 70 Prozent ist die Kaffeesorte «Brasil» der Spitzenreiter des Sortiments. Sie besteht aus Arabica-Kaffeebohnen aus einer Plantage in Alfenas (Brasilien). Deshalb wurde die Analyse für diese Kaffeesorte in Auftrag gegeben.

Wie erstellt man eine Ökobilanz?

Die Ausgangslage war also klar: Mit wissenschaftlichen Methoden sollte eine Ökobilanz erstellt und ein konkreter Wert für den CO2 -Ausstoss pro Kilogramm Kaffee ermittelt werden. «Man tut dies, um einen Vergleichsmassstab zu haben und allfällige Massnahmen ergreifen zu können», erklärt Tobias Vogt, Alumnus Wirtschaftsingenieurwesen. «Dies können etwa Kompensationszahlungen oder wirkungsvolle Anpassungen im Prozess sein.» Da nicht ausschliesslich CO2 beteiligt ist, rechnet man andere Treibhausgase in CO2-Äquivalente um. Für das Ermitteln eignet sich ein Life Cycle Assessment (LCA), eine Lebenszyklusanalyse. Diese enthält vier Teilschritte: die Ziel- und Umfangsdefinition, die Bestandsanalyse, die Folgenabschätzung sowie die Interpretation. Normalerweise enthält ein LCA den gesamten Lebenszyklus eines Produkts inklusive Verbrauch und Entsorgung. Der Auftrag der Belém Café Rösterei war nur «cradle-to-gate» – also von der Herstellung bis zum Verkauf.

Nachdem Ziel und Umfang zusammen mit dem Auftraggeber geklärt waren, unterteilte Vogt die Lieferkette der Kaffeebohnen für die Bestandsaufnahme in drei Phasen: die Landwirtschafts-, die Transport- und die Verarbeitungsphase. Für die Landwirtschaftsphase stützte er sich auf Annahmen aus der Literatur, da in Brasilien keine spezifischen Messungen zum Anbau gemacht werden konnten. Für die Transportphase ermittelte der Student zusammen mit der Belém Café Rösterei und ihrem Transportpartner das konkrete Transportmittel sowie die damit zurückgelegten Kilometer und berechnete die spezifischen Zahlen dafür. Für die Verarbeitungsphase konnten reale Daten verwendet werden: Die verbrauchte Energie wurde anhand der Anzahl verbrauchter Propangasflaschen sowie der Stromrechnung für das betroffene Jahr aufgelistet. Propan wird im Röstprozess zur Wärmeerzeugung verwendet, Strom braucht es unter anderem für den Betrieb der Maschinen, die Beleuchtung und die IT.

Interpretation der Resultate

«Die Zahlen sind eindrücklich: Mit Abstand am meisten CO2 entsteht in der Anbauphase», erklärt Vogt. Auf den Anbau entfallen 3,95 kg CO2-Äquivalente pro Kilogramm Kaffee, auf den Transport 0,24 kg und auf die Verarbeitung in Schüpfen nur 0,14 kg. Aus der Summe der drei Phasen entsteht wie gewünscht ein konkreter Wert: Die Treibhausgasemissionen für den gesamten Lebenszyklus eines Kilogramms Kaffeebohnen der Sorte «Brasil» der Belém Café Rösterei belaufen sich auf 4,34 kg CO2. Diese Zahl kann als Richtwert dienen, hat jedoch auch eine gewisse Toleranz, da viele Daten auf Annahmen beruhen.

Für die darauffolgende Folgenabschätzung orientierte sich der Student an den Wirkungskategorien IPCC 2013 (International Panel on Climate Change). Diese stellt Kriterien zur Verfügung, welche die Auswirkungen auf das Klima in den nächsten 20 bis 100 Jahren einbeziehen. Anhand dieser Kriterien nahm Vogt die einzelnen Phasen genauer unter die Lupe: So können im Idealfall konkrete Empfehlungen für Verbesserungsmassnahmen abgegeben werden.

Beim Kaffee gibt es beispielsweise je nach Anbaumethode grosse Unterschiede im Verbrauch von Wasser und Energie – hier liegt denn auch das grösste Potenzial für die Verbesserung der Ökobilanz. Der nachhaltige Anbau vor Ort könnte genauer überprüft werden: etwa ein sorgfältiger Umgang mit Dünger und Wasser. «Für eine kleine Rösterei wie Belém Café wäre dies jedoch ein sehr grosser Aufwand», erklärt Vogt. «Realistisch und machbar erscheint uns eher, auf bereits etablierte nachhaltige Plantagen zu setzen – und den verbleibenden CO2-Ausstoss mit zertifizierten Klimaprojekten zu kompensieren.»

Zufriedener Auftraggeber

Für Bircher ist die Zusammenarbeit mit der BFH eine Win-win-Situation: «Die Studierenden können an einem echten Fall arbeiten, und wir erhalten Erkenntnisse, die wir sonst nie in Auftrag hätten geben können – allein schon angesichts der Kosten.» Diese Vorteile sieht auch Tobias Vogt: «Es war sehr motivierend, etwas tun zu dürfen, das auch wirklich gebraucht wird und gleichzeitig sinnvoll für den Klimaschutz ist», so der 25-Jährige. Bewusstes Einkaufen sei ein grosser Trend. «Es war schön zu sehen, dass man mit einer Lebenszyklusanalyse eine Methode hat, mit dem man etwas dazu beitragen kann.» Seine Bachelorarbeit schloss der Student gleich am Ort des Geschehens ab: Die mündliche Abschlussprüfung von Tobias Vogt fand in der Belém Café Rösterei in Schüpfen statt.

Dr. Maria Franco Mosquera
Assistenzprofessorin für Circular Economy am Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen und Business Engineering, BFH