«Wir müssen nutzen, was uns der Wald bietet»

Professor Andreas Müller, Leiter des BFH-Instituts für Holzbau, Tragwerke und Architektur, über die ökologischen Vorteile des Bauens mit Holz und die Mehrfachnutzung von Holz und Gebäuden.

Andreas Müller, Professor für Holzbau und Baukonstruktion, Leiter Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur IHTA, BFH

Herr Müller, welche Rolle spielt das Bauen mit Holz beim Megatrend Neoökologie resp. Blaue Ökologie?

Andreas Müller: Bauen mit Holz war schon immer sehr ökologisch, weil man dabei einen regional verfügbaren, nachwachsenden Rohstoff verwendet. Die Bilanz bei der grauen Energie ist bei Holz besser als bei anderen Materialien. Der Wald als CO2-Speicher spielt in der Klimaproblematik eine entscheidende Rolle. Wir müssen nutzen, was uns der «Wirtschaftsraum» Wald bietet.

 

Wie sehr schmälert es die Ökobilanz von Holz, wenn es aus dem Ausland statt aus der Schweiz kommt?

Wenn es aus dem süddeutschen Raum oder dem mehr oder weniger grenznahen Österreich kommt, bleibt sie gut. Wenn ich es allerdings in Osteuropa beziehe oder zur Bearbeitung dorthin transportiere, wird sie schlechter. Dann fallen die Transporte stark ins Gewicht.

 

Wird hierzulande immer mehr Schweizer Holz verwendet?

Ja, das ökologische Bewusstsein wächst, bei privaten wie öffentlichen Bauherren. Aber klar: Aufgrund des starken Frankens ist es immer eine persönliche Entscheidung, ob man es sich leisten will. Bei grossen Holzbauprojekten braucht es zudem innert kurzer Zeit eine grosse Menge an Materialien. Die im Vergleich zu anderen Ländern eher klein strukturierte Schweizer Holzwirtschaft kann dem nicht immer nachkommen.

Das Verbessern der Ökobilanzen bedingt auch, dass man möglichst viel von dem, was im Wald wächst, verwenden kann.

Bis anhin haben wir zum Bauen vor allem die Nadelholzarten Fichte und Tanne verwendet, die in grossen Mengen zur Verfügung stehen und leicht zu bearbeiten sind. Wir arbeiten mit anderen Hochschulen darauf hin, dass auch Laubholzarten wie die Buche vermehrt stofflich verwendet werden. Hierfür müssen wir noch die Fertigungsprozesse über die gesamte Wertschöpfungskette anpassen.

In welche Richtung zielt Ihre Forschung?

Wenn man heute ein Gebäude oder ein Bauteil aus Buche herstellt, bezahlt man fast den doppelten Preis – erhält dafür aber nur etwa die eineinhalbfache Leistungssteigerung gegenüber den Nadelhölzern. Deshalb müssen auf der einen Seite die Kosten gesenkt und auf der anderen Seite die Leistung erhöht werden. Im Rahmen des Aktionsplans Holz des Bundesamts für Umwelt BAFU haben wir in den vergangenen Jahren zusammen mit der Empa und der ETH Zürich bezüglich der Leistungsfähigkeit von Laubholz und insbesondere der Buche grosse Fortschritte erzielt. Wir von der BFH haben dabei vor allem die Möglichkeiten des mechanischen Zusammenfügens von Laubholz mit anderen Bauteilen stark verbessert (siehe auch Artikel «Neue Möglichkeiten dank hochfestem Stabschichtholz aus Buche»)

Welche weiteren ökologischen Vorteile bietet der Baustoff Holz?

Die Materialeffizienz ist sehr hoch. Holz verfügt bei einem sehr geringen Eigengewicht über eine hohe Leistungsfähigkeit. Das ermöglicht eine Leichtbauweise, bei der man nicht die ganz grossen Massen bewegen muss. Angesichts der geringen Wärmeleitfähigkeit von Holz sind die Aussenwandaufbauten, also die Gebäudehülle, sehr viel kompakter. Damit bleibt mehr Platz für Wohnraum, was einen Beitrag zur Flächeneffizienz leistet. Diese ist ja ein sehr bedeutendes Thema, das unser Institut auch stark beschäftigt. Wie lässt sich der immer knapper werdende öffentliche Raum möglichst effizient nutzen? Wie schafft man auf kleinerem Raum genauso optimale Wohnbedingungen?

Sind die Wohnbedingungen in einem Holzhaus besser als in einem herkömmlichen Haus?

Das ist natürlich eine subjektive Einschätzung. Und ich bin da vorbelastet, weil ich lange in einem Holzhaus gewohnt habe. Aber ja, aus meiner Sicht ist das Raumklima in einem Holzhaus unschlagbar, allein schon wegen der Eigenschaft des Materials, viel Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben zu können. Wir hatten zu Hause nie Probleme mit unangenehmen Kochgerüchen oder mit Schimmel.

Ihr Institut hat jüngst ein Forschungsprojekt zu bezahlbarem Wohnraum abgeschlossen.

Ja, das ist ein Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Beispielsweise können sich Polizisten in München Wohnungen erst in 50 Kilometer Entfernung von der Stadt leisten. Das gilt für viele Ballungszentren, sicher auch für Zürich. Es braucht also neue Konzepte. Wohnqualität muss sich nicht unbedingt nur über die Grösse des zur Verfügung stehenden Raumes definieren. Wichtig können ja auch die Anbindung an den öffentlichen Verkehr oder das Raumklima sein. Eine Umfrage hat ergeben, dass sehr viele Menschen mit einem einfacheren Ausstattungsstandard zugunsten tieferer Mieten einverstanden wären. Auch mit kleineren, effizienteren Grundrissen liessen sich die Herstellungskosten senken – und damit auch die Mieten.

Welchen Beitrag kann der Holzbau leisten?

Bei der industriellen Fertigung sind wir im Holzbau schon sehr weit fortgeschritten. Bei der Raummodulbauweise stellt man den gesamten Raum schon im Werk her, inklusive Innenausbau und Versorgungsleitungen. Das ist eine Produktionsweise, wie wir sie aus der Automobilindustrie kennen. Sie steigert die Effizienz und senkt die Kosten.

Und schont die Umwelt?

Ja, mit solchen Raummodulen lassen sich Gebäude – zum Beispiel Kindergärten oder Anbauten an Spitäler – während einer gewissen Zeit an einem Ort nutzen und dann als Ganzes an einen anderen Ort transportieren. Da ist die Leichtbauweise von Holz ein grosser Vorteil. Diesen Trend in der Holzbaubranche hin zur Mehrfachnutzung von ganzen Gebäuden erachte ich als sehr sinnvoll.

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