
Zirkuläre Geschäftsmodelle für Photovoltaik und Elektrofahrzeugbatterien
CIRCUSOL ist ein Forschungs- und Innovationsprojekt von Horizon 2020 und zielt auf die Umsetzung nachhaltiger, zirkulärer Geschäftsmodelle für die Photovoltaik(PV)-Branche ab. Zirkuläre Verwertungsstrategien beinhalten die Wiederverwendung, Reparatur und Aufarbeitung von PV-Modulen und Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrofahrzeugen.
Maria Franco Mosquera, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, BFH
Stefan Grösser, Professor für Strategisches Management und Business Analytics, Leiter Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen, BFH
Das exponentielle Wachstum von PV-Installationen, das spätere Recycling und der aus den Restmaterialien erzeugte Abfall stellen technische und ökologische Herausforderungen dar. Aber es eröffnen sich auch neue Möglichkeiten der Wertschöpfung für wichtige Akteure in der PV-Industrie. Eine dieser Möglichkeiten wird vom CIRCUSOL-Projektkonsortium untersucht und betrifft die Reparatur von ausgefallenen oder degradierten PV-Modulen für ihre Wiederverwendung als gebrauchte Produkte («Secondary Use»). Es wird geschätzt, dass bis zu 80% des zukünftigen PV-Abfalls aus Modulen mit Defekten bestehen werden, die während der Produktion, des Transports oder der ersten vier Betriebsjahre verursacht wurden, und nicht aus Produkten, die das Ende ihrer geplanten technischen Lebensdauer erreicht haben [1]. Von diesen 80%, so schätzt das CIRCUSOL-Konsortium, sollten 45% bis 65% repariert bzw. aufgearbeitet und als Second-Life-Module wieder kommerziell vermarktet werden können [2].

Batterien mit zweiter Lebensdauer und Speicherung als Service
Abhängig von der Nutzungsintensität werden Lithium-Ionen-Batterien (LIB) nach circa acht bis zehn Jahren Einsatz in Elektrofahrzeugen aufgrund ihrer nachlassenden Kapazität ausser Dienst gestellt. Es wird jedoch geschätzt, dass gebrauchte Batterien am Ende ihres Lebens in Elektrofahrzeugen immer noch bis zu 70% der ursprünglichen Kapazität aufweisen. Daher könnten sie in weniger anspruchsvollen Anwendungen, z.B. als stationäre Energiespeicher für erneuerbare Energiequellen wie Solaranlagen, eine zweite Verwendung finden.
CIRCUSOL nutzt mehrere Demonstrationen, um die Durchführbarkeit innovativer Geschäftsmodelle für Second-Life-LIB zu bewerten. Eine davon ist die Integration von Second-Life-Batteriesystemen in bestehende Stromabnahmeverträge. Voraussetzung ist, dass diese Ergänzung keine Erhöhung der Stromkosten für den Endverbraucher verursacht. Es wird erwartet, dass die Integration des Batteriesystems im Rahmen eines «Electricity-Storage-as-a-Service-Modells» durch einen Produkt-Service-System(PSS)-Anbieter (z.B. Eon) funktioniert. Der Kunde besitzt das Batteriesystem nicht, sondern nutzt es nur für einen vorher festgelegten Zeitraum. Für den Eigentümer einer PV-Anlage würde die Integration eines Batteriesystems eine Erhöhung des Eigenverbrauchs bedeuten, d.h., er würde mehr vom günstigeren Strom des PSS-Anbieters als vom teureren aus dem Versorgungsnetz beziehen. Im Gegenzug könnte der PSS-Anbieter einen grösseren Anteil des durch PV-Produktion erzeugten Stroms an den Eigentümer der PV-Anlage verkaufen, und das zu einem im Vergleich zur normalen Rückspeisevergütung der Energieversorger höheren Preis. Insgesamt verspricht die Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien eine grössere Flexibilität. Es werden Tests durchgeführt, um die technische und finanzielle Machbarkeit der Integration von Batteriesystemen der zweiten Lebensdauer in bestehende PSS-Angebote zu ermitteln.
Herausforderungen von PSS-Modellen für Second-Life-Batterien
Eine der grössten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Erschliessung des Angebots an Second-Life-LIB in den kommenden Jahren ist die fehlende Standardisierung der Batteriepakete. Traditionell differenzieren sich die Hersteller durch die Entwicklung von Batterien, die sich in Grösse, chemischer Zusammensetzung und physikalischer Form unterscheiden. Diese Situation macht den Aufbereitungsprozess komplex, da nicht bekannt ist, welche Art von LIB die Verarbeitungsunternehmen erhalten.
Eine zweite Hürde sind die sinkenden Kosten für neue Batterien, was den Anwendungsfall für aufbereitete Batterien der zweiten Lebensdauer bedroht. Damit Second-Life-Batterien eine attraktive Alternative bleiben, muss die Kostenlücke zwischen neuen und gebrauchten LIB ausreichend gross sein, damit die Leistungseinschränkungen von Gebrauchtanlagen gerechtfertigt sind. Wie im Fall von PV-Modulen gibt es bei Batterien aus zweiter Hand bisher keine Garantien für Leistung, Qualität und Sicherheit. Diese Faktoren sind von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz durch den Markt, da technische Garantien und renommierte Lieferanten erforderlich sind, um das Vertrauen der Kunden aufzubauen. Vor dem Hintergrund dieser herausfordernden Situation braucht es eine branchenweite Zusammenarbeit, um das Design für die zweite Lebensdauer, die Steigerung der Wiederaufbereitungskapazität und die Etablierung industrieweiter Sicherheitsstandards für gebrauchte Batterien zu gewährleisten.
Computersimulation zur Untersuchung der Marktdiffusion
Die Branche und das Ökosystem, in dem die Wiederverwendung von PV-Modulen und Batterien stattfindet, sind komplex. Deshalb wird ein Instrument benötigt, das Entscheidungsträgern dabei helfen kann, die kurz- und langfristigen Auswirkungen verschiedener Entscheidungen abzuschätzen. Die BFH entwickelt ein mathematisches Modell zur Identifikation der Dynamiken, die durch die Material- und Informationsflüsse bei der Diffusion von PV-Modulen und Batterien erster und zweiter Lebensdauer entstehen. Das Simulationsmodell, das auf der Methodik der Systemdynamik basiert, soll Szenario- und Politikanalysen ermöglichen und die rechtlichen, sozialen, technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Triebkräfte sowie Barrieren von zirkulären Geschäftsmodellen berücksichtigen.
Bibliografie
(1) Tsanakas, J. A., van der Heide, A., Radavičius, T., Denafas, J., Lemaire, E., Wang, K. … Voroshazi, E. (2019). Towards a circular supply chain for PV modules: Review of today’s challenges in PV recycling, refurbishment and re-certification. Progress in Photovoltaics: Research and Applications, n/a(n/a). doi:10.1002/pip.3193
(2) Weckend, S., Wade, A., Heath, G. A., Wambach, K., Currás, T. A., Zhang, J. … Wuester, H. (2016). End-of-Life Management: Photovoltaic Panels. Munich, Germany: IRENA, IEA PVPS Task 12
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